Teneriffa
Teneriffa ist viel mehr als nur ein Windsurfspot. Florian Luther und Chris Hafer haben der Kanareninsel einen Besuch abgestattet.
Der Lorbeerwald im Norden von Teneriffa, bewässert von den vom Passatwind unermüdlich herbei gewehten Wolken, ist ein Fossil. Es ist ein Überrest der Wälder, die die feuchten und warmen Gebiete der Erde vor 50 bis 20 Millionen Jahren bedeckten. Fast überall sonst auf der Welt verschwand der Lorbeerwald während der Eiszeit vor ca. 2,5 Millionen Jahren, nur in abgelegenen Gebieten wie etwa der Gegend rund um Anaga gibt es ihn heute noch.
In diesem immergrünen Dschungel mit Bäumen, Farnen und Flechten, durchzogen von gespenstisch vom Winde verwehten Wolkenfetzen, dann erwartet man eigentlich, dass hinter der nächsten Ecke ein Dinosaurier oder ein anderes Relikt aus der Urzeit auftaucht, so unwirklich erscheint die Szenerie…
Tatsächlich gibt es solch ein urzeitliches Fabelwesen noch auf Teneriffa. Godzilla, bekannt durch diverse Hollywood-Filme wird immer wieder im weitaus trockeneren Südosten der Insel gesichtet.
Wobei trocken nicht ganz stimmt. Denn genau wie das Hollywood-Monster lebt auch Godzilla auf Teneriffa im Wasser, taucht dort allerdings ziemlich regelmäßig und vorhersagbar wieder auf. Ziemlich genau alle 12 Stunden und 25 Minuten kommt das Urzeitmonster mit seiner zackigen Silhouette aus den Fluten an die Oberfläche… also immer bei Ebbe. Viel gefährlicher und gefräßiger ist Godzilla allerdings bei mittlerem bis hohem Wasserstand, wenn er dicht unterhalb der Wasseroberfläche auf seine Beute wartet…
Um es aufzuklären, Godzilla ist eine besondere Riffformation am Surfspot Cabezo in El Médano. Im Endeffekt ein fieser und großer Lava-Felsbrocken. Die Silhouette sieht von der Seite gesehen aufgrund seiner vielen Zacken dem Hollywood Vorbild täuschend ähnlich, und angesichts der Entstehungsgeschichte durch Vulkanausbrüche muss er auch in etwa ähnlich alt sein, wie das legendäre Fabelwesen. Nicht nur der Legende nach ernährt sich das Monster speziell bei Flut von Boards, Segeln und Finnen unvorsichtiger Surfer, die ihm zu nahe kommen, während es unter der Wasseroberfläche auf seine Beute lauert…
Gefühlt ist die Zeit, in der wir uns dem Monster, Pardon, dem Riff stellen, in ähnlichen zeitgeschichtlichen Dimensionen zu sehen. Seit vielen Jahren fliegen wir immer mal wieder auf die Insel, sind doch die Vorteile nicht von der Hand zu weisen. Ja, El Médano gewinnt nicht gerade den Preis als Vorreiter in den Kategorien »malerischer Urlaubsort« und »traumhaftes Ambiente«. Etwa im Halbstunden-Takt starten die Flieger vom nahegelegenen Flughafen Teneriffa Süd (TFS) und überfliegen entgegen der vorherrschenden Windrichtung die Bucht und den Ort El Médano.
Die Frequenz der Flieger, die hauptsächlich die Bettenburgen im Süden rund um Las Americas beliefern, ist aber dann von Vorteil, wenn man selbst kurz entschlossen die ca. vier bis fünf Stunden Flugzeit für ein paar Tage entspanntes Windsurfen auf sich nehmen möchte.
Ok, teilweise sind die Bedingungen in Cabezo, dem Worldcup-Wavespot, nicht immer so ganz entspannt mit seinem flachen Riff, dem speziell bei Flut manchmal schwierigen Ein- und Ausstieg. Dafür punktet El Médano mit relativ hoher Windsicherheit und angenehmen Temperaturen sowohl was Wasser als auch Luft angeht. Dazu ist alles fußläufig erreichbar, so dass man wirklich vom Bett aufs Brett fallen kann, wenn man denn möchte.
Für nicht ganz so geübte Surfer gibt es übrigens in der Mitte der Cabezobucht oder in der südlicheren Bucht vom Playa Chica aus auch gute und sicherere Spots.
Unser letzter Trip auf die Insel war noch während der Corona Epidemie, in 2021. Aber erdgeschichtlich gesehen sind drei Jahre ja weniger als ein Wimpernschlag, und so hat sich auch scheinbar absolut gar nichts verändert. Der Passat liefert nach wie vor in den Sommermonaten bis in den September hinein beständigen Wind, erstaunlich eigentlich in Zeiten des deutlich spürbaren Klimawandels. Godzilla lauerte auch immer noch auf ahnungslose Opfer und forderte immer wieder seinen Tribut und die Sonne schien auch immer noch vom Himmel. Genau wie vor drei Jahren. Und wie etwa drei Jahre davor…
Nach 15 Minuten Transfer vom Flughafen zu unserer Unterkunft in Luv von El Cabezo, dauerte es noch ca. weitere 20 Minuten, bis wir auf dem Wasser waren, Fly & Surf in Bestform quasi. Wir hatten unseren Trip auf die Zeit nach dem Worldcup gelegt, in der Hoffnung, dass die alte Weisheit noch gilt, nach der vor und nach einem Contest immer Wind und Wellen sind. Und auch in Zeiten, wo sich quasi täglich alles ändert, galt diese Regel scheinbar unverändert fort und wir konnten uns unmittelbar nach unserer Ankunft gleich wieder mit dem Spot anfreunden.
Schnell stellte sich auch das „täglich grüßt das Murmeltier“-Feeling ein… Kaffee bei Sonnenaufgang auf der Terrasse, eine Runde joggen vorm Frühstück, entspannt von der Terrasse die Bedingungen checken und dann mal eben kurz die Uferstraße queren und ein oder zwei Runden surfen ... mit einem kalten Bier den Abend einläuten und sich fragen, welcher Tag eigentlich ist. Wenn das die alltägliche Routine ist, dann sollte man sich darüber nicht beschweren…
2.700 Höhenmeter – mit dem Fahrrad auf den Teide
Und wenn dann mal ausnahmsweise kein Wind ist, oder einem die Arme und Hände vom täglichen Windsurfen weh tun, dann kann man ja alternativ dafür sorgen, dass einem auch noch die Beine oder andere Körperpartien schmerzen. Etwa indem man sich ein Bike mietet und sich auf den Weg hoch zum höchsten Berg Spaniens, den Teide, aufmacht.
Man startet in El Médano quasi auf Meeresspiegelhöhe. Bei 2.600 Höhenmetern bis zur Talstation der Teide-Seilbahn auf ca. 55km Strecke nonstop bergauf hat man dann mehr als ausreichend Zeit und Gelegenheit, sich die traumhaften Aussichten bis hin zu den benachbarten Inseln Gran Canaria und La Gomera, aber auch den Straßenrand in aller Ruhe anzusehen, während man versucht, einerseits ausreichend Luft zu bekommen und andererseits nicht einfach seitlich umzufallen, weil man die für die die stabilisierend Kreiselkräfte notwendige Geschwindigkeit am Anstieg unterschreitet…
Was wahrscheinlich Godzilla und den Lorbeerwald überdauern wird, sind die Unmengen von Plastik- und sonstigem Müll, die man am Straßenrand sieht. Schade, dass immer noch soviel Müll achtlos in die Landschaft geschmissen wird, von Leuten, die eigentlich gerade diese Landschaft auf ihren Ausflügen bewundern.
Erstaunlich sauber erschienen uns dagegen die Strände selbst. Im Meer konnten wir fliegende Fische und Wasserschildkröten beobachten, auch wenn Teneriffa immer wieder wegen Einleitung von unzureichend geklärten Abwässern ins Meer in der Kritik steht. Wir hatten Glück, entkamen Godzilla und verwandelten unser Surfmaterial nicht in Plastikmüll. Das einzige, was definitiv gelitten hat, waren unsere Körper, bei dem Programm, das wir uns selbst gestaltet hatten. Quasi all inclusive Urlaub mal anders, ganz ohne Bändchen am Handgelenk, dafür aber mit all inclusive Sport und Sightseeing Programm.
Entsprechend entspannt verlief dann auch der Heimflug in den Abendstunden. Nach einem letzten Blick auf die Bucht von Cabezo, samt dem urzeitlichen Ungeheuer in der Abendsonne, fielen uns die Augen zu. Aber wahrscheinlich packten wir im Traum bereits für den nächsten Trip, mit Wind und Wellen und den besonderen Momenten…
Reiseinfos
Anreise:
Teneriffa ist, genau wie die anderen Kanaren-Inseln, aus Deutschland verhältnismäßig einfach erreichbar. Flüge gibt es fast wieder wie vor der Corona-Krise von allen größeren deutschen Airports aus. Für ca. 350-400 € kann man aktuell beispielsweise bei Condor Tickets bekommen und mit der Condor Activity Card fliegt das Surfgepäck bis 30 kg sogar kostenlos mit. Die Karte muss vorab gebucht werden, lohnt sich aber bereits ab 2 Trips innerhalb von 12 Monaten mit Condor.
Mietwagen:
Gibt es reichlich und relativ günstig (Cicar, Sixt, Europcar, Hertz, ...). Nur Autos mit Dachgepäckträger sind entweder teuer oder schwer zu bekommen.
Günstig, aber ohne Dachgepäckträger: www.pluscar-tenerife.com
Unser Favorit mit Dachgepäckträgern: www.autoreisen.es
Wer nur Windsurfen will und zur Passatzeit kommt, kann in El Médano problemlos auf einen Mietwagen verzichten. Einige Vermieter bieten auch einen Transfer-Service vom und zum Airport an. Außerhalb der Passatzeit macht ein Mietwagen aber schon Sinn, um die Insel zu erkunden und alternative Spots erreichen zu können. Die Insel bietet viel zu entdecken, ist sehr abwechslungsreich, und die Regionen sind in allen vier Himmelsrichtungen sehr unterschiedlich. Und da El Médano definitiv nicht das Highlight der Insel darstellt, empfiehlt es sich durchaus, auch die anderen Gegenden und ein paar der typisch kanarischen Orte besonders im Norden einmal anzuschauen. Für die windarme Nebensaison gibt es einige gute Wellenreit-Spots, die man aber auch am besten mit dem Mietwagen erreichen kann.
Windsurfen:
In El Médano gibt es zwei Hauptspots für NO-Passat – direkt im Ort findet man am in der südlichen Bucht eine Flachwasser-Piste, die zum Racen, Freestylen und Freeriden einlädt. Auch Anfänger-, Kite- und Wingfoil-Schulungen werden hier angeboten. Die Infrastruktur ist hervorragend, sowohl hinsichtlich der Surfstationen als auch bezüglich Bars, Cafés etc.
Eine Bucht weiter nördlich, in Cabezo, gibt es je nach Swellrichtung kleine bis große Wellen. Je weiter man sich nördlich bzw. in Luv aufhält, desto entspannter sind die Bedingungen. Am Riff, in der Nähe des Bunkers können die Bedingungen schon recht fordernd sein. Geknickte Masten und vom Riff beschädigte Boards und Finnen sieht man hier öfters. Dafür sind die Bedingungen zum Wellenabreiten wirklich gut und manchmal, bei gutem Swell, gibt es auch viele perfekte Backloop-Rampen. Wenn die Welle etwas größer wird, ist die Sandbank in der Mitte der Bucht ebenfalls sehr gut zum Springen geeignet, dabei aber deutlich fehlerverzeihender als der Break am Bunker.
Achtung: Wie in der Story beschrieben: Am Hauptspot liegt mitten in der Einflugschneise dicht am Einstieg ein fetter Felsen im Wasser, den man liebevoll „Godzilla“ getauft hat. Bei Flut ist das Biest nicht zu sehen, bei Ebbe liegt der Brocken größtenteils trocken. Godzilla hat schon einige Finnen gekostet. Und wenn man nicht achtsam ist, kann man ihn sehr schnell aus der Nähe kennenlernen, was definitiv nicht empfehlenswert ist. Man sollte sich die Lage einmal bei Ebbe anschauen und gut einprägen.
Wenn der Passat die Arbeit einstellt und andere Windrichtungen vorherrschen (meist Westwind), funktioniert Cabezo nicht richtig. Die Médano-Bucht am Playa Chica kann an seltenen Südwest-Tagen allerdings manchmal kleine saubere Wellen mit Side/Offshore-Wind von rechts bieten.
Für Wave-Surfer empfiehlt sich als Westwind-Alternative vor allem der Spot „La Fitenia“, mitten in der Touristenmetropole Las Americas im Südosten der Insel. Hier kann man relativ häufig mit 4,5er Segeln große, kraftvolle Wellen mit Sideshore-Wind von rechts erleben, während in El Médano absolute Flaute herrscht. Ein- und Ausstieg sind nicht ganz einfach und nicht für Wellenanfänger geeignet – besonders weil in Lee bei Materialbruch eine große Mole wartet. Die Strömung kann einen hier gnadenlos auf die Mole spülen, was an großen Tagen wirklich riskant sein kann. Die Parkplatzsiituation ist eine Katastrophe – aber die Mühe lohnt sich!
Rund um die Insel finden sich weiter viele gute Surf- und Windsurf-Spots, die aber meist nur bei speziellen Bedingungen funktionieren und nur für sehr erfahrene Windsurfer geeignet sind. Für Touristen im Prinzip keine echte Option. Der Kite- and Windsurf Guide Europe bietet viele Infos zu den Spots der Insel. Außerdem gibt es eine gute Übersicht auf www.windsurfingtenerife.com.
Unterkunft:
Per Google kann man schnell und einfach Unterkünfte in und um El Médano finden. Wir empfehlen weiterhin wie schon in den letzten Jahren „Médano4you“ (www.medano4you.com). Der Local-Windsurf-Hero und Gelegenheits-Worldcupper Jochen Stolz vermittelt viele Wohnungen in verschiedenen Preisklassen, oft mit geeigneter Lösung zur Materiallagerung. Auch mit hilfreichen Tipps steht er gerne zur Seite.
Wind und Wetter:
Auch von Jochen wurden wir auf eine Wetterstation aufmerksam, über die man die aktuellen und historischen Windgeschwindigkeiten in Cabezo abrufen kann: cabezo.bergfex.at.
Eine gute Windvorhersage erhält man aus unserer Sicht aus einer Kombination der Forecasts von windfinder.de,
windguru.cz und
windy.com
Bars, Nightlife, etc…
El Médano ist zwar nach unserem Geschmack nicht besonders schön, aber der Ort bietet einfach alles, was man zum Leben braucht. Es gibt einige Surfshops mit Board- und Segelreparatur-Service, viele Bars und Restaurants mit gutem Essen und fairen Preisen, Supermärkte, alles fußläufig ...
Außerhalb von El Médano bietet Teneriffa mehr Abwechslung als die anderen Kanareninseln. Traumstrände im touristischen Süden, evtl. Schnee auf dem Teide und nahezu tropische Wälder im Norden der Insel, dazu kleine malerische Orte an der Nordküste. Man kann fantastisch Biken, aber auch mit dem Auto lassen sich tolle Ausflüge in verschiedene Klimazonen unternehmen. Es gibt „Attraktionen“, wie den Siam-Park (Wasser-Erlebnispark) und den Loro Parque (ein wirklich beeindruckend angelegter Zoo und Tierpark).
Besonders empfehlenswert sind, neben einem Besuch auf dem Teide, ein Trip in den rauhen Nordosten (rund um die Punta del Hidalgo) und eine Erkundungstour entlang der 12
Nord-Westküste mit dem Wellenreiter. Unser Tipp: Verlasst El Médano auch bei einer kurzen Reise zumindest einmal. Es lohnt sich. Nord-Westküste mit dem Wellenreiter. Unser Tipp: Verlasst El Médano auch bei einer kurzen Reise zumindest einmal. Es lohnt sich.
Anderer Sport
Wer sportlich ambitioniert unterwegs ist, kann in El Médano einige anspruchsvolle Lauf-/ Trailrunning-Strecken finden, sowohl in Richtung Montaña Roja im Süden von Médano, als auch im Norden hinter der Cabezo Bucht. Außerdem gibt es einen sehr gut ausgestatteten Fahrradladen (bikepointtenerife.com/de), in dem man hochwertige Mountainbikes und Rennräder leihen kann (ab ca 25,- € pro Tag). Eine Tour auf den Teide beispielsweise hat gut 100 km – je nach Strecke ca. 55 km bergauf mit ca. 2.700 Höhenmeter und etwa 108 km insgesamt. Ein beeindruckendes und herausforderndes Erlebnis – sofern man einen guten Trainingszustand mitbringt.
13.09.2024 © DAILY DOSE | Text: Chris Hafer | Fotos/Grafiken: Chris Hafer, Florian Luther