
Interview: Flo Jung
Der Windsurf-Profi Flo Jung ist seit vielen Jahren dabei. Im Interview gibt er in 15 Fragen tiefgründige Einblicke in sein Leben und seine Arbeit.
Hey Flo, du bist jetzt seit fast 20 Jahren in der Windsurf-Szene aktiv – und hast nicht nur sportlich überzeugt, sondern auch mit konstant hoher Medienpräsenz. Du warst auf unzähligen Magazin-Covern, hast Filme produziert und kreative Projekte realisiert. Wie hat sich dein Weg als Profi entwickelt – und wie schafft man es, über so viele Jahre relevant zu bleiben?
Ich habe mit 14 Jahren auf einem kleinen See bei Saarbrücken angefangen und war Feuer und Flamme. Dummerweise wohnte ich in Saarbrücken weit weg vom Meer. Weil ich keine Küste vor der Tür hatte, wurde ich erfinderisch: Ich habe mir ein Windsurf-Setup auf einem Skateboard gebaut und bin damit in den Fluss gesprungen. Das war mein Einstieg.
Mit 17 kam ich auf die Maui Ocean Academy. Das war mein Fundament. Die Entscheidung Profi zu werden, fiel dann erst mit 20. Anfangs war ich auf der Freestyle-Tour unterwegs, habe aber schnell gemerkt, dass meine wahre Leidenschaft in der Welle liegt. Den Sport beruflich zu machen, kam dann nach und nach – das war dann eher wieder Freestyle.
Um auch außerhalb der Surfbranche Sponsoren zu bekommen, muss man etwas liefern. Ergebnisse oder auch Geschichten, die begeistern.
Was mich von Anfang an besonders gereizt hat, war der kreative Aspekt des Sports, deshalb habe ich früh begonnen, kreativ zu entwickeln: Reisen, Filme, Fotos, Kampagnen. Ich habe schnell verstanden, dass man mit dem richtigen Team, zur richtigen Zeit, an einem besonderen Ort echte Magie schaffen kann. Mein Anspruch war immer: weniger Masse, mehr Qualität.
Ich habe mir jedes Jahr ein neues Projekt oder Thema überlegt – etwas, das mich selbst begeistert, aber auch Sponsoren Mehrwert liefert. Das war mein Weg, um sichtbar zu bleiben und dabei gleichzeitig meinen eigenen Weg zu gehen. Darüber hinaus bin ich aber solange dabei, weil es immer noch meine größte Passion ist, auf dem Board vom Wind angetrieben, Wellen zu reiten. ☺

Was hat dich auf der Tour wirklich motiviert – und was war dein persönlicher Antrieb hinter all dem?
Klar, ich wollte Leistung bringen – für meine Sponsoren, aber auch für mich selbst. Aber ich war nie der Typ, der alles auf Sieg ausgerichtet hat. Es hat sich oft nicht richtig angefühlt, dieses Freiheitsgefühl vom Windsurfen in ein 12-Minuten-Heat zu pressen und die krassesten Moves auf Abruf rauszuhauen. Aber für einige meiner Sponsoren war es eben wichtig, sich auch als einer der Besten zu behaupten.
Nach zwei Kreuzbandrissen war mir klar: Ich will nicht alles dem Wettbewerb opfern. Ich wollte gesund bleiben und mir den Spaß am Windsurfen erhalten.
Statt jede freie Minute ins Training für den nächsten Contest zu stecken, habe ich meine Energie oft in Projekte gelenkt, die mir wirklich etwas Bedeutung haben: zum Beispiel den Film „Don’t Let Go“, Travel-Storys an entlegene Orte wie Alaska oder Namibia oder auch die Atlantiküberquerung im Rahmen einer Umweltinitiative.
Meine Motivation war weniger das Podium, sondern das Gefühl, etwas Sinnvolles zu erschaffen. Geschichten zu erzählen, die bleiben. Und Momente, die man nicht vergisst.

Vermisst du die PWA-Tour? Und warum hast du aufgehört?
Meine Prioritäten haben sich über die Jahre verändert. Vor allem als Vater möchte ich so viel Zeit wie möglich mit meinen beiden Kindern verbringen. Für eine volle Contest-Saison fehlt da einfach der Raum.
Aber manche Events reizen mich weiterhin, Orte wie Chile, Peru oder Fidschi zum Beispiel. Ein gelegentliches Comeback ist also nicht ausgeschlossen.
Trotzdem: Die Motivation, die ganze Tour zu fahren, ist nicht mehr da. Heute stehen sinnstiftende Projekte und echte Erlebnisse im Fokus. Natürlich vermisse ich das Windsurf-Bubble-Feeling, die gemeinsamen Sessions und Freundschaften auf der Tour. Viele Freunde wie Camille, Leon Jamaer, Graham Ezzy oder Julian Salmonn habe ich auf Tour kennengelernt.

Wo lebst du – Kapstadt oder Europa?
Mein Leben ist ziemlich gleichmäßig zwischen Kapstadt und Europa aufgeteilt. Etwa sechs Monate im Jahr bin ich in Südafrika, den Rest reise ich durch Europa – für Events, Fotoshootings oder meine Coaching-Camps. Diese Mischung passt perfekt zu mir.

Was liebst du an Kapstadt?
Kapstadt ist einer der komplettesten Orte, die ich kenne. Die Trainingsbedingungen sind weltklasse, die Stadt selbst ist kreativ und lebendig, und es kommen Menschen aus allen möglichen Bereichen zusammen, die spannende Dinge machen.
Ich liebe den Lifestyle, das Klima und die unendlichen Möglichkeiten, im Ozean zu sein – egal ob beim Surfen, Windsurfen, Wingfoilen oder Schwimmen.

Erzähl uns von deinem Haus in Kapstadt und einigen deiner Projekte.
Vor etwa zehn Jahren habe ich einen besonderen Ort in Scarborough entdeckt, einem kleinen Dorf südlich von Kapstadt. Zusammen mit einem Freund habe ich dort ein nachhaltiges Haus gebaut – aus Hanf. Es ist klein, aber hat alles, was ich brauche: minimalistisches Design, Nachhaltigkeit und Blick auf den Spot.
Neben dem Windsurfen, teste ich für meinen Sponsor AK, die hier Produkte wie Foils, Boards und viele andere Produkte designen. Ich engagiere ich mich stark in meinem Non-Profit-Projekt namens Mon Coeur, das ich nach meiner ersten Südafrika-Reise vor 18 Jahren gegründet habe. Vor vier Jahren haben wir den Inspire Hub eröffnet – ein Lernzentrum für Jugendliche aus benachteiligten Communities. Dort gibt es Workshops, TED-artige Talks und Sportprogramme. Es ist von einer kleinen Idee zu einem wirklich bedeutenden Projekt für die Community gewachsen.

Seit wann bist du bei Gunsails?
Ich bin seit 2001 mit Gunsails verbunden. Damals habe ich im Lager gearbeitet, um mir meine erste Maui-Reise zu finanzieren. Seitdem ist die Beziehung immer enger geworden. Die Firma sitzt in Saarbrücken und im Laufe der Jahre sind enge Freundschaften mit dem Team entstanden.
Bist du am Segeldesign beteiligt?
Ja, besonders bei der Entwicklung des Wavesegels „Seal“. Ich bringe meine Erfahrungen vom Wasser ein. Natürlich übernimmt Renato Molotti, der Designer in Tarifa, die technische Umsetzung – aber wir arbeiten eng zusammen, damit das Segel wirklich das bietet, was Rider brauchen.
Wie wichtig ist dir, dass deine Sponsoren nachhaltig sind?
Extrem wichtig. Als Wassersportler sind wir jeden Tag auf die Natur angewiesen. Ich finde, wir haben die Verantwortung, sie zu schützen. Ich will mit Marken arbeiten, die diese Werte nicht nur im Marketing vertreten, sondern auch in ihrer Produktion, ihren Materialien und ihrer Denkweise. Letztlich werbe ich für diese Produkte und will deshalb auch dahinter stehen können.
Starboard und Gunsails sind da Vorreiter – sie treiben Nachhaltigkeit wirklich voran. Für mich geht’s nicht nur um Performance, sondern um Partnerschaften mit Marken, die verstehen, wie man eine bessere Zukunft gestaltet.

Was macht deine Wave Camps besonders – und was können die Teilnehmer von so einem Coaching-Event erwarten?
In meinen Camps geht’s natürlich vor allem ums Windsurfen und Wingen, aber es geht auch um anderes. Viele kommen, um besser zu surfen, aber gehen mit viel mehr nach Hause: mit einem klareren Mindset, mehr Selbstvertrauen, neuen Freunden und Erfolgserlebnissen, die sie positiv prägen.
Zusammen mit meinem Co-Trainer Nick Spangenberg haben wir über die letzten zehn Jahre ein ganz gutes Programm entwickelt, das nicht nur Wellenverständnis und Moves vermittelt, sondern auch an mentalen Skills wie Fokus, Flow und Umgang mit Angst. Ich versuche, meine Erfahrung aus 20 Jahren als Profi-Sportler weiterzugeben, ganz individuell – aber immer in einem Rahmen, der motiviert, inspiriert und Spaß macht.
Die Gruppen sind klein, das Coaching persönlich. Je nach Wind: Morgens oft Theorie, Video-Analyse, mentale Vorbereitung – nachmittags gemeinsam aufs Wasser.
Was oft unterschätzt wird: Die Community ist ein riesiger Teil des Erlebnisses. Viele Teilnehmer bleiben lange in Kontakt, manche starten sogar gemeinsame Projekte danach – es ist ein Raum für Entwicklung, Verbindung und Lebensfreude, und das macht wirklich Spaß.

Pushst du dich beim Freesurfen immer noch bis ans Limit?
Ja, aber heute auf eine intelligentere Weise. ☺ Meine Sessions dauern meist nicht länger als 90 Minuten, sind dafür aber sehr fokussiert. So minimiere ich das Verletzungsrisiko und bleibe voll im Flow. Mein Fokus liegt heute eher auf Timing, Style und Moves zu perfektionieren – oder einfach darauf, den Prozess zu genießen. Windsurfen wird nie langweilig, weil der Ozean sich ständig verändert.
Was sind deine Ziele beim Freesurfen?
Mein Ziel ist, voll präsent zu sein. Ich setze mir kleine Herausforderungen, die mich fokussieren und weiterbringen – zum Beispiel einen saubere Aerial mit einem Bottom Turn zu verbinden oder drei Turns auf einer Welle mit kompletter Kontrolle zu schaffen. Diese Mini-Ziele helfen mir, im Moment zu bleiben – und den Ritt wirklich zu genießen.
Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Ich sehe das Leben als Reise des ständigen Wachstums. Ich liebe es, im Wasser zu sein und jede freie Minute zu nutzen, egal ob als Profi oder nicht. Gerade in den letzten Jahren sind durch Big Wavesurfen und Wingen noch weitere Sportarten in mein Leben gekommen, die mich faszinieren. Aber Fakt ist auch, dass die Branche gerade harte Zeiten durchmacht und die Budgets in den letzten Jahren stark gekürzt wurden. Man wird sehen, wo die Reise hingeht.
Ich habe glücklicherweise neben Windsurfen auch eine Leidenschaft dafür entwickelt, andere Projekte aufzubauen – besonders im Bereich Social Entrepreneurship. Man wird auch damit vielleicht nicht reich, aber es geht mir vorrangig darum, etwas Sinnvolles zu machen – sei es durch Coachings, Filme oder kreative Unternehmungen, in denen man seine Talente optimal einbringen kann.

Was ist der Move, auf den du am meisten stolz bist?
Ein Move, den ich selbst entwickelt habe, ist eine Variante des Rodeo Flips, der sich „Ocean Jump“ nennt. Es ist eine Art Cheese Roll in Switch Stance mit dem Rücken zum Segel – jedoch nicht ganz einfach zu landen.
Aber ganz ehrlich: Die Moves, die mich am meisten begeistern, sind nicht immer die technisch anspruchsvollsten, sondern die, die sich am besten anfühlen. Ein sauberer Aerial oder ein stylischer Goiter machen mich immer noch richtig happy.

Was hast du in deiner Zeit als Windsurf-Profi soweit fürs Leben gelernt?
In erster Linie, dass nichts von heute auf morgen kommt. Windsurfen sieht vielleicht leicht aus – aber bis du Wind, Wellen und Material wirklich im Griff hast, brauchst du verdammt viel Geduld und Disziplin. Und diese Ausdauer oder Durchhaltevermögen haben fast alle Windsurfer, die ich kenne. Das lässt sich eins zu eins aufs Leben übertragen: Dranbleiben, auch wenn’s zäh wird- aber dadurch kannst du auch langfristig immer wieder neues lernen. Das ist ein unglaubliche Charaktereigenschaft, die viele nicht auf dem Schirm haben.
Als Profi bist du darüber hinaus nicht nur Sportler, sondern auch dein eigener Reiseleiter, Logistiker und Projektmanager. Du musst dich selbst organisieren, ständig Entscheidungen treffen, mit Sponsoren kommunizieren – und dabei möglichst entspannt bleiben, wenn am Spot mal wieder alles anders kommt als geplant.
Der wichtigste Skill? Anpassungsfähigkeit – sowohl auf dem Wasser als auch an Land.
Du kannst den besten Forecast haben – und trotzdem kommt der Wind nicht. Früher hab ich mich darüber aufgeregt. Heute hol ich mir einen Kaffee und nutze die Zeit anderweitig.
Und genau das ist vielleicht die größte Lektion: Nicht alles läuft nach Plan – und das ist okay. Am Ende bin ich dankbar für alle diese Lektion, die mir helfen das Leben besser zu meistern.

Mehr über Flo Jung könnt ihr hier erfahren: www.florianjung.com
28.04.2025 © DAILY DOSE | Text: John Carter | Fotos/Grafiken: Farina Deutschmann, Fish Bowl Diaries, Flo Jung, Julian Robinet, Privat, Samuel Tome