Windsurfen auf Sardinien - Ostern 2023

Sardinien - Ostern 2023

Mit dem Campervan auf den Spuren des Windes, eine Reise auf die italienische Mittelmeerinsel

Kennst du das? Du unterhältst dich mit irgendeinem Kumpel über einen möglichen nächsten Windsurftrip zu einer coolen Destination – und sofort heißt es im Kopf: „Film ab“.

Die Erinnerungen an zurückliegende Trips in den vergangenen Jahren verdichten sich zu einem Kopfkino vom Feinsten, das Gehirn reiht epische Sessions in einer irren Geschwindigkeit aneinander und der ganze Film rast in Zeitraffer vor dem Inneren Auge vorbei, noch bevor das Telefonat oder das Gespräch zum Ende gekommen ist.

Gleichzeitig erwachen Erwartungen – den einen Spot mit der besonderen Welle noch einmal erleben zu können, alles daran zu geben, endlich den Traum-Move zu stehen, einen ganz besonderen Spot mit wahnsinnig schönen Wasserfarben zu surfen, das eine besondere Foto, das man schon immer genau von dem Ort haben wollte, bei einer Sundowner-Session zustande zu gekommen, ...

Eindrücke von Sardinien
Sardinien bietet einiges fürs Auge

Genau so ging es mir, als mein langjähriger Surf- und Reise-Kumpel Chris mich im Herbst in Cornwall während eines unserer letzten Trips bei einem Pint fragte, was wir denn so zu Ostern geplant hätten.

Ich: „Noch nix, keine Ahnung... Surfen wäre gut.“
Chris: „Ich fliege jetzt nach der Cornwall-Tour erstmal nach Westaustralien, nach Sylvester bin ich in Kapstadt und Ostern dann auf Sardinien. Kommt doch mit – würd mich riesig freuen.“
Ich: Kopfkino an, Sardinien-Film ab...

Das ist schon witzig – da sitzt du irgendwo an einem wahnsinnig guten Windsurfspot, wie wir in der St. Yves Bay in Cornwall (den entsprechenden Spotguide im Surf-Magazin hat vielleicht der eine oder andere gelesen), entspannt nach einer super Session abends bei einem lokalen Pint am Kaminfeuer eines urigen Pubs, irgend so ein Typ lässt das Wort „Sardinien“ fallen, und schon läuft der Film im Kopf. Und das, obwohl die richtig coolen Ziele wie Westaustralien und Kapstadt in diesem Winter für mich mangels ausreichender Urlaubstage leider nicht erreichbar waren.

Windsurfen in Marina Maria
Marina Maria

Aber auch Sardinien hat mich sofort getriggert und ganz besonders die Erinnerung an meine letzte Session am Capo Mannu mit unglaublichen Down-the-Line Bedingungen in masthohen Wellen weckten sofort den Wunsch, Chris zumindest bei dieser Tour nicht alleine ziehen zu lassen.

Nun muss ich, wie schon häufiger berichtet, bei unseren Reisen nicht nur die Wind- und Wellenvorhersage, sondern auch den Bewegungsdrang unserer beiden pelzigen Fellnasen und die Wünsche meiner Freundin Valerie berücksichtigen.

Anfangs war die Begeisterung für „schon wieder nach Sardinien?“ noch nicht ganz auf dem Level, das ich mir gewünscht hatte. Allerdings hob sich die Stimmung immer weiter, je mehr wir uns mit dem „Rother Wanderführer“ beschäftigten, der jenseits der Küsten und Strände noch ganz andere vielversprechende Touren und Ziele beschreibt.

Die klassischen Sardinien-Touri-Ziele und die üblichen Windsurfspots hatten wir bei unseren letzten Aufenthalten auf der Insel bereits kennengelernt. Die Aussicht, in den Bergen und Wäldern abseits der Küste noch mal eine weitere und ganz andere Seite Sardiniens zu entdecken, hat Ihre Wirkung nicht verfehlt.

Und obwohl Valerie eigentlich lieber einmal „etwas ganz anderes“ gemacht hätte, war auch sie von der Aussicht auf die nächste Sardinien-Tour nach wenigen Tagen und Diskussionen recht angetan.

Sonnenuntergänge auf Sardinien

Ende März ging es also los. Der Film im Kopf hatte sich mittlerweile zu einer mehrteiligen Serie entwickelt, von der während der Vorbereitungen und beim Packen des Vans immer mal wieder einzelne Episoden unvermittelt vor meinem geistigen Auge abliefen.

Unterbrochen wurde das Kopfkino dann allerdings nicht von Werbepausen mit der „Milka Lila Kuh“ (die Älteren unter uns mögen sich erinnern...), sondern von der nackten, harten Realität. Kurz nachdem ich voller Euphorie gut 80l Trinkwasser in das Druckwassersystem unseres Vans gefüllt hatte, stand der Wagen im wahrsten Sinne des Wortes „unter Wasser“. Die letzten beiden Nächste vor der geplanten Abreise verbrachte ich damit, das Leck im Wassersystem zu finden und abzustellen.

Am Ende war es nur eine hinter der Heizung versteckte Schlauchschelle, die sich scheinbar über den Winter minimal gelockert hatte und dann bei entsprechendem Druck dem Wasser nicht mehr gewachsen war. Kleine Ursache, große Wirkung... Jedenfalls führte diese ungeplante Aktion dazu, dass ich zwei Tage später vollkommen übernächtigt, hundemüde und wirklich urlaubsreif auf den Fahrersitz krabbelte, um die 16 Stunden Fahrt in Richtung Livorno / Italien in Angriff zu nehmen.

Zum Glück können wir uns zu zweit beim Fahren abwechseln und jederzeit irgendwo anhalten und ein paar Stunden schlafen. Ich bin sicher, wäre ich allein gewesen, hätte ich die Fähre am Ende verpasst bzw. verschlafen...

Windsurfen in Capo Mannu
Capo Mannu

So aber lief die Fahrt ziemlich problemlos, und als wir im Sonnenaufgang den Lago di Como passierten, stellte sich so richtig Urlaubsstimmung ein. Nach Wochen mit viel Regen, kalten Temperaturen und viel Schlamm bei Hunde-Spaziergängen war es eine Wohltat, endlich einmal wieder die wärmende Sonne auf der Haut zu spüren und durch die Sonnenbrille die ersten blühenden Obstbäume des Jahres zu sehen.

Als Valerie dann noch die Windfinder-Vorhersage für Sardinien zitierte, die für die ersten 2-3 Tage Hoffnung auf NW-Wind für Capo Mannu machte, lief gleich wieder der besagte Film... und die Erwartungen und Hoffnungen stiegen immer weiter...

Wenige Stunden später rollten wir in Livorno auf die Fähre, konnten endlich in Ruhe etwas Schlaf nachholen, um am nächsten Morgen die salzige Meerluft an einem Strand in der Nähe von Olbia zu schnuppern. Endlich Frühling. Endlich Sonne und angenehme Temperaturen. Und endlich... Wind! Was kann es Besseres geben, als an seiner Windsurf-Destination anzukommen und direkt von im Wind raschelnden Palmen begrüßt zu werden. Wie im Film, möchte man sagen...

Da besonders Chris nicht zum ersten Mal auf Sardinien war und mit Hilfe seiner Italienisch-Kenntnisse und seiner durchaus kontaktfreudigen Art guten Kontakt zu mehreren Locals unterhält, waren wir von Beginn an mit perfekten Informationen zu Wind und Wetter an allen relevanten Spots versorgt.

Und so schlüpfte ich bereits am zweiten Tag auf der Insel in die Hauptrolle des Filmes aus meinem Kopfkino, als ich mich gemeinsam mit Chris am Strand von Putzu Idu in die Fluten stürzte, um nach Capo Mannu hochzukreuzen (dies ist die sichere Weichei-Alternative im Vergleich zum direkten Einstieg über die scharfen Felsen direkt am Spot). Es folgten 4 Stunden feinstes Down-the-line Waveriding, dass einem die vergangenen und zumindest für mich relativ Windsurf-armen Wintermonate schnell vergessen ließ.

Sardinien bietet unzählige einsame Buchten

Capo Mannu ist für mich ein besonderer Spot. Er funktioniert erst, wenn mehrere Tage West- bis Nordwest-Wind über das Mittelmeer fegt und die Wellen sich aufbauen können. 2-3m sollten es schon mindestens sein, damit die Welle nicht zu dicht unter Land bricht. Und je größer es wird, desto besser und länger läuft die Welle.

Gleichzeitig nimmt aber natürlich auch der Angstfaktor bei größeren Bedingungen immer weiter zu. Eigentlich ist die Welle relativ einfach zu surfen, und mit einem langgezogenen Bottom Turn kommt man eigentlich auch immer gut aus der Impact Zone heraus.

Eigentlich... Wenn das Timing allerdings mal nicht passt uns man abgeräumt wird, kann man doch schnell in der Windabdeckung verhungern und von den nächsten Weißwasserwalzen mitsamt Material auf die Felsen geworfen werden. Hinterher ist das Rigg dann auf jeden Fall weniger sperrig, die Fahreigenschaft leiden aber in der Regel doch erheblich... Etwas vorsichtig sollte man es daher doch angehen lassen.

Windsurfen in Marina Maria
Windsurfaufnahmen: Marina Maria

Wenn man aber Acht gibt und nicht zu viel riskiert (oder ausreichend viel Glück hat), ist der Spot einfach nur schön und nach ein paar Sessions fange ich langsam an, mich in der Welle richtig wohlzufühlen. Nicht umsonst wird Capu Mannu als bester Wave-Spot am Mittelmeer gehandelt. Für mich hat die Welle den Titel absolut verdient. Adrenalinschübe gepaart mit Genuss pur – und das vor einer beeindruckenden und etwas beängstigenden Kulisse mit schroffen Felsen und kleiner Steilküste. Irgendwie zu gut um wahr zu sein – fast wie in einem Film...

Aber eben auch nur fast. Denn natürlich rippt man in dem Film im Kopfkino die Welle deutlich radikaler als in echt, traut sich viel tiefer in den brechenden Teil und riskiert deutlich mehr, als wenn man nach Monaten des „Pinguin-Surfens“ auf der Ostsee bei einstelligen Temperaturen zum ersten Mal wieder masthohe Wellen unter dem Board hat.

Aber die Glücksgefühle und das leichte Angstkribbeln, wenn man von der Welle beschleunigt wird, sich mit flach gelegtem Segel in den Bottom Turn wirft, das steile Face vor einem sieht und das Brechen der Welle bedrohlich hinter sich brodeln hört, übertreffen alles, was einem das Kopfkino bieten kann. Was ist das doch für ein unglaublicher Sport, den wir da ausüben...

Windsurfen in La Ciaccia
La Ciaccia

Nun ist Capu Mannu nicht alles, was Sardinien zu bieten hat. Der Northshore und die Westküste bieten mehrere Wave-Spots, die bei der richtigen Windrichtung wirklich gute Bedingungen liefern können. Ganz im Süden gibt es mit Chia einen legendären Wave-Spot und selbst an der Ostküste haben wir schon mehrfach Wellen um 1-2m Höhe gefunden, die sogar zum Wellenreiten eingeladen haben.


Während unseres Trips hatten wir vor allem in La Ciaccia noch einmal das Glück, schöne Wellen zum Springen und zum Abreiten zu erwischen, wenn auch nur mit wenig Wind für Segel um 5.4 qm. Und wenn das Windfenster mal nicht lang genug ist, damit sich auf dem Weg über das Mittelmeer echte Wellen ausbilden können, so kann man an endlos vielen Flachwasserspots richtig tolle Freestyle-, Slalom-, oder Freeride-Sessions erleben.

Windsurfen in Porto Liscia
Porto Liscia

Nebenbei gesagt – Porto Pollo ist für uns keine Option. Absolut keine. Viele Surfer verbringen ihren gesamten Sardinien-Aufenthalt nur hier. Und das nicht ganz zu Unrecht – es gibt im Norden wohl kaum einen Ort mit mehr und stärkerem Wind. Aber es ist eben auch dementsprechend voll. Oft sehr voll. Viel zu voll. Und da Sardinien mit Porto Liscia, Stintino, Sa Barra, Marina Maria und vielen anderen Orten noch sehr viele andere gute Flachwasseralternativen bereithält, an denen in aller Regel weit weniger Betrieb herrscht, zieht uns absolut gar nichts nach Porto Pollo.

Viel lieber folgen wir den Windfeldern, die man beispielsweise bei Windfinder sehr gut beobachten kann, und bewegen uns entsprechend der Wetterströmung rund um die Insel, um möglichst leere und eher einsame Spots zu finden. Zumindest in der Nebensaison gelingt das erstaunlich leicht. Dafür ist es etwas schwerer, geöffnete Campingplätze oder Pizzerien zu finden.

Flachwasser Surfspot - Porto Liscia
Porto Liscia

Apropos – an dieser Stelle habe ich einen Tipp für alle Touris: Wenn man abends auf Sardinien in einer Pizzeria voller Einheimischer sitzt (was man unbedingt ein paar Mal machen sollte), bestellt man keinen Cappuccino. Zumindest nicht, wenn man nicht zum Gespött aller übrigen Gäste werden und ungläubige Blicke ernten möchte. In meinem Fall – ich liebe Cappuccino zu jeder Tageszeit – führte die Bestellung zu Nachfragen (veramente??), Gekicher unter den Beschäftigten, und endete damit, dass ich vor einer Tasse mit viel kalter Milch und etwas dünnem Kaffee saß.

Nachdem ich mit reumütigen Hundeblick darum gebeten habe, doch einen heißen Cappuccino zu bekommen, kam dieser im zweiten Anlauf wenigstens lauwarm auf den Tisch. An der Stelle wollte ich mir keine weitere Blöße geben, habe aufgegeben und gute Miene zum kalten Kaffee gemacht. Man merke: Cappuccino trinkt man in Italien nur bis 11 Uhr. Vormittags. Rigorosamente!

Abendstimmungen an der sardinischen Küste

Wenn mal gar nichts geht und Windfinder keine grünen Farben auf der Strömungskarte anzeigt, bietet Sardinien als Flautenalternative das fantastische Hinterland. Unser Wanderführer hat uns an abgelegene Orte in den Bergen, an wunderschöne Küstenwanderwege, und an Bachläufe mit Wasserfällen geführt.

Oft haben wir 3-4 Stunden lange Wanderungen unternommen und dabei in den allermeisten Fällen keine einzige Menschenseele getroffen. So bietet Sardinien tatsächlich auch abseits der Strände Abwechslung und Natur, die man kaum erahnen würde, wenn man nur von einem Strand zum Nächsten ziehen oder gleich in Porto Polle hängen bleiben würde.

Auf der anderen Seite soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Herumfahren auf der Insel nicht immer nur Spaß macht. Immer wieder trifft man auf wirklich schlechte und maximal notdürftig geflickte Straßen mit abenteuerlichen Umleitungen, die allerdings besonders von den italienischen Verkehrsteilnehmern im Stile eines Michael Schumachers umkurvt werden.

Geschwindigkeitslimits stellen scheinbar eher eine Empfehlung als eine Verpflichtung dar, und so empfiehlt es sich, immer wachsam unterwegs zu sein. Ohnehin sieht man mehr von der Insel, wenn man es etwas gemütlicher angehen lässt (auch wenn man hin und wieder ungeduldig angehupt und rasant überholt wird, wenn man „nur“ 100 statt der vorgeschrieben 70 km/h fährt.

Windsurf- und Landschaftsaufnahmen von Sardinien

Einige Insel-Kilometer, viele Sessions und viele Stunden „Watertime“ später saßen wir gegen Ende unseres Trips einmal mehr beim gemeinsamen Abendessen in unserem Van, als Chris vollkommen unvermittelt fragte, was wir eigentlich im nächsten Februar geplant hätten. Er würde wieder nach Kapstadt, und das Appartement unweit der BigBay wäre groß genug und hätte noch locker Platz für einen Mitbewohner...

Was das auslöste, war irgendwie absehbar...
Ich: Klick... Kopfkino an – Kapstadt-Film ab... Besser als jede Serie bei Netflix... Dann schauen wir mal, was die nächste Staffel so bringt.

10.08.2023 © DAILY DOSE  |  Text: Florian Luther  |  Fotos/Grafiken: Chris Hafer, Florian Luther, Valerie Luther Fotografie