Carbon aus CO2
Teil 2 der Serie: Zukunftstechnologien
Die Herstellung von Carbon-Masten aus Treibhausgasen ist gar nicht so utopisch wie es klingen mag, denn Kohlenstoff ist Bestandteil von CO2. Wir haben diese positive Zukunftsvision, die auf realer Forschung basiert, in einer Science-Fiction-Story weitergeführt.
Als im Februar 2020 das Telefon in der DAILY DOSE Redaktion klingelte, ahnten wir nicht, dass es ein besonderer Anruf war. Wie sollten wir auch. Telefone klingeln immer irgendwie gleich. Die Anruferin gab sich als Dr. Maj Hermanndottir aus und meinte in nordisch gefärbtem Englisch, sie hätte da was und es ginge um mächtig viel Kohle.
Natürlich verabredeten wir uns umgehend zu einem Gespräch, denn normalerweise melden sich eher Anrufer mit mächtig wenig Kohle in der Redaktion. Dr. Hermanndottir merkte an, dass sie sich womöglich etwas verspäten würde, die Bahn hätte auch in der Zukunft Probleme die Zeit einzuhalten und würde sie womöglich nicht genau am richtigen Absetzpunkt materialisieren. Auch würden die Portaltüren häufiger klemmen und von den sanitären Einrichtungen brauche man sowieso nicht zu reden.
Das kurze Telefonat warf mehr Fragen auf, als es beantwortete.
So warteten wir gespannt einen Tag später mit einem Pappschild auf dem "Dr. Hermanndottir" geschrieben stand, wie vereinbart an Gleis 1 des Kieler Bahnhofes. Dann, in einem Wimpernschlag, war sie plötzlich da... und schwitzte. Wir zwinkerten nervös, denn wir hatten sie nicht kommen sehen. Sie hatte sich irgendwie - "materialisiert". "Klimaanlage ausgefallen" stöhnte sie. "Ändert sich nie!"
Im Bahnhofscafé kam Dr. Hermanndottir direkt auf den Punkt. Sie sei Windsurferin und hätte unseren Zukunftsartikel über den Elektro-Hilfsantrieb gelesen. "So niedlich retro", fand sie den. Wir hatten kaum Zeit über ihren Kommentar beleidigt zu schmollen. Die Wissenschaftlerin fuhr unbeirrt fort. Sie wollte uns über einige wirklich wichtige Techniken der für uns nahen Zukunft informieren. Hierbei würde auch das CO2-Problem relativ einfach gelöst werden.
"Also Jungs, interessanter als dieser Finnen-Elektroschrott ist es, sich die Symbiose aus Pilzen und Bakterien anzusehen, die Kohlenstoff - also das C aus CO2 - in Varianten von Carbonfasern verstoffwechselt. Als Ergebnis des Prozesses werden Sauerstoff-Atome in die Freiheit entlassen."
Wir staunten nicht schlecht.
Maj Hermanndottir dozierte, „Zuviel CO2 = böse, Sauerstoff = gut. Das versucht euch doch Greta - auch eine Zeitreisende - gerade in die Birne zu hämmern. Freiwillige soziale Zeiteinheit als Entwicklungshelferin.“
„Ach ja, auch so eine Bahnfahrerin.“
Im Prinzip schlug Dr. Hermanndottir zwei Fliegen mit einer Klappe. Das CO2, von dem die Menschen viel zu viel produziert haben, dient den Pilzen und Bakterien als Basis für ein Myzel-Skelett. Und das ist praktischerweise aus Fasern aufgebaut, die in ihrer Eigenschaft den heute gebräuchlichen PAN-Fasern (C3H3N Gruppen) gleichen. Lässt man die Pilze in einer Form wachsen, kann man beliebige Produkte erzeugen.
Der Mensch macht die Form, die Pilze und Bakterien die Arbeit. Ein Myzel-Mast oder ein Myzel-Finne sind dann das Resultat.
"Aber ist denn so ein Myzel-Mast wasserfest?", fragten wir? "Na klar, für noch bessere mechanische Eigenschaften kannst Du das Myzel in Solar-Parabol-Öfen komplett carbonisieren. Das hält."
Dr. Hermanndottir zeigte uns noch ein paar Illustrationen auf ihrem Lesegerät, dann musste sie aufbrechen. "Jungs, 'Time is money'. Außerdem will ich heute noch ein paar Gravitationswellen surfen. Die Sonnenwind-Vorhersage ist auch ganz gut."
Uns wunderte nichts mehr. "Das wollen wir auch!"
"Ach das ist jetzt echt schwierig zu erklären, der Spot ist nicht so einfach zu erreichen. Und die Ausrüstung... Erzähl ich euch beim nächsten Mal. Aber die Zukunft ist nicht so schlecht, wie ihr oft denkt. No worries."
"Aber..."
"Ihr könnt ja schonmal Zeitreisen üben. Wenn ihr mit der Bahn fahrt und bei der Ankunft auf die Uhr schaut, ist es ganz häufig später, als die im Plan eigentlich angekündigte Ankunftszeit versprach. Time travel. Public Alpha Test. Der Offset-Faktor ist noch ziemlich klein. Wird bald besser. Macht's gut!"
Sie verschwand. War einfach weg. Niemandem war ihr Verschwinden aufgefallen. Alle Menschen auf Gleis 1 beschäftigten sich mit ihren elektronischen Unterhaltungsgeräten und nahmen ihre Umwelt nicht war. Es blieb ein leicht metallischer Geruch, von dem viele glauben, er würde von den Bremsen der ICEs erzeugt. Dabei stammt das in Wirklichkeit... Na ja, man lernt nie aus.
Fact check: Es ist Forschern bereits gelungen aus CO2 Carbonfasern herzustellen. Auch gibt es einen klimaneutralen Produktionsweg von Carbonfasern, der über Algen führt. Pilz-Myzel-Produkte gibt es ebenfalls bereits. Im Möbelbereich werden so vorgeformte Produkte, wie zum Beispiel Stuhl-Rückenlehnen produziert. Die Manipulation von Genen, also auch Veränderung des Erbguts von Pilzen und Bakterien, ist über die CRISPR/Cas Methode möglich.
Weiterführende Links:
www.transgen.de/forschung
www.tum.de/...
www.tagesspiegel.de/wissen/...
www.faz.net/aktuell/wissen/...
www.ted.com/talks/heather_barnett...
21.02.2020 © DAILY DOSE | Text: Christian Tillmanns | Fotos/Grafiken: Christian Tillmanns