Manuelle Teleobjektive

Manuelle Teleobjektive

Tele Shots mit alten Objektiven - viel Leistung für wenig Geld?

Für ein gutes Teleobjektiv mit großer Brennweite muss man tief in die Tasche greifen. Geht das auch billiger? Wir haben eine Alternative getestet und zwei 40 Jahre alte Objektive vor eine neue Kamera montiert, mit überraschendem Ergebnis.

Vom Strand aus Windsurffotos schießen - dafür ist eine große Brennweite erforderlich. 300mm bis 400mm sollten es sein, um nah ran an die Action zu gelangen.

Dafür kann man tief in die Tasche greifen und sich ein leistungsstarkes Teleobjektiv zulegen. Abbildungsqualität und Lichtstärke kosten Geld. 1000 Euro und deutlich mehr kann man auf die Theke legen, um im Telebereich gut ausgestattet zu sein. Aber muss das unbedingt sein?

Manuelle Teleobjektive
Auf dem ersten Bild ganz oben ist das Tokina RMC II 400mm f5.6 zu sehen, hier das Soligor C/D Zoom+Macro f4-5.6 60-300mm. Aus dem Gesamtpaket einer alten Fotoausrüstung herausgerechnet lag der Gebrauchtpreis bei nur je 20 Euro.

Alte Objektive an neuen Kameras nutzen
Im Weitwinkelbereich erfreuen sich manuelle Objektive aus den Zeiten der analogen Fotografie großer Beliebtheit. "Altglas" wird das liebevoll genannt und diesem Retro-Trend folgen viele Profi- und Hobby-Fotografen. Diese alten Objektive kosten oft nicht viel und lassen sich mittels Adapter an vielen modernen Digitalkameras anschließen. Blende und Fokus müssen dabei manuell bedient werden - das funktionierte früher gut und ist auch heutzutage praktikabel.

Actionfotos mit dem Soligor 60-300er
Das Soligor 60-300er im Einsatz an einer Panasonic G9

Wo findet man gute alte Objektive?
Teleobjektive aus der Zeit von vor 40 Jahren findet man bei ebay oder auf unterschiedlichen Kleinanzeigenportalen. Foto-Equipment dieser Generation wird oft als Komplettausrüstung angeboten. Das kann günstiger sein, als nach einzelnen Objektiven zu suchen, diese werden meist teurer gehandelt. Von 5 Euro für echte Schnäppchen bis hin zu dreistelligen Beträgen bei gefragten Modellen kann man für ein Exemplar ausgeben.

Manuelle Teleobjektive im Praxiseinsatz
Diese beiden analogen Objektive haben wir für Windsurfaufnahmen eingesetzt:
- Tokina RMC II 400mm f5.6 (manuelle Festbrennweite)
- Soligor C/D Zoom+Macro f4-5.6 60-300mm (manuelles Tele-Zoom)

Beide Objektive sind in diesem Fall mit einem Anschluss für das Contax/Yashica-Bajonett (C/Y) ausgestattet und lassen sich mit Adaptern (für ca. 20 EUR erhältlich) an vielen anderen Kamerasystemen anschließen (z.B. Canon EOS, Sony E Mount, Panasonic M4/3). Auch viele andere alte Anschlüsse wie M42, Pentax K, Nikon AI oder Olympus OM kann man mit einem Adapter an modernen Wechselobjektivkameras nutzen.

Actionfotos mit dem Tokina RMC II 400er
Aufnahmen mit dem Tokina RMC II 400er, das an einer Kamera mit M4/3-Sensor zum 800mm-Objektiv wird.

Autofokus & Bildstabilisator?
Fehlanzeige! Fotografieren und Filmen kann man damit trotzdem sehr gut, denn die solide Mechanik der Objektive ist für eine präzise manuelle Fokusführung ausgelegt. Ein Stativ sollte man bei langen Brennweiten auf jeden Fall nutzen.

Besonders bei der Nutzung an einer modernen spiegellosen Digitalkamera (z.B. Panasonic G9) kommt man in den Genuss einer Bildstabilisierung des Sensors und der Kontrastfokus-Kennzeichnung im digitalen Sucher. Das präzise Einstellen und Nachführen der Schärfe erfordert damit nur wenig Übung.

Der Micro Four Thirds Sensor sorgt zusätzlich für einen Crop-Faktor von 2, so dass sich die optische Brennweite verdoppelt (aus 400mm werden 800mm).

Ein gutes Beispiel zum Praxiseinsatz liefert dieses Windsurfvideo aus 2019. Alle Szenen wurden mit den beiden alten Objektiven und einer Panasonic G9 gefilmt:

Um euch einen Vergleich zwischen einem aktuellen und den beiden alten Objektiven zu liefern, haben wir die folgenden Testaufnahmen erstellt. Die Messlatte ist dabei das Leica DG Vario-Elmar 100-400mm F4.0-6.3 von Panasonic, das im Preisbereich von über 1.500 Euro liegt.

Testaufnahmen - Tokina RMC II 400mm f5.6
Vergleichsaufnahmen des oben aufgeührten Leica Objektivs (Zoomeinstellung 400mm) mit dem Tokina RMC II (400mm Festbrennweite). Die Fotos zeigen jeweils eine Aufnahme bei Offenblende (links) und Blende 11 (rechts).

Die beiden alten Objektive können bei Offenblende nicht mithalten, Farbsäume und Unschärfe sind unverkennbar. Aber abgeblendet auf f8 bzw. f11 ist die Abbildungsqualität gar nicht so übel. Den geringeren Kontrastumfang sowie den Farbcharakter kann man in der Nachbearbeitung korrigieren.

Testaufnahmen  - Soligor C/D Zoom+Macro f4-5.6 60-300mm
Vergleichsaufnahmen des Leica 100-400er Objektivs (Zoomeinstellung 300mm) mit dem Soligor 60-300er (Zoomeinstellung 300mm). Die Fotos zeigen jeweils eine Aufnahme bei Offenblende (links) und Blende 8 (rechts).

Was ist bei alten Objektiven zu beachten?
Beim Gebrauchtkauf ist ein guter Zustand nie garantiert. Gerade bei diesen alten Objektiven können Linsen verkratzt sein und auch im Inneren Öl, Trübung und Glaspilz die optische Leistung mindern.


Fazit
Für sehr wenig Geld kann man mit alten manuellen Objektiven Windsurfaction aus großer Entfernung einfangen, muss aber Abstriche beim Komfort und der Bildqualität in Kauf nehmen.

Gerade bei sich schnell bewegenden Objekten ist der Autofokus moderner Objektive ein großer Vorteil und auch eine eventuell vorhandene Bildstabilisierung hilft verwacklungsfreie Fotos zu schießen. Darauf muss man beim Altglas-Experiment verzichten, kann sich aber über ein gutes Preis/Leistungsverhältnis freuen.

19.08.2020 © DAILY DOSE  |  Text: Jürgen Schall  |  Fotos/Grafiken: Jürgen Schall