Cesare Cantagalli

Interview

Cesare Cantagalli

Cesare Cantagalli hat 1986 den Vorwärtsloop erfunden. Der Italiener, der jetzt mit seinen Marken I99 und Duo auf dem Markt aktiv ist, wurde mit dem Sprung weltberühmt. Wir haben Cesare interviewt.

Cesare, du wurdest 1986 berühmt, als du die Cheeseroll während eines Wettbewerbs gestanden hast. Kannst du dich an diesen Moment erinnern?

Bei der Aloha Classic 1986 wollte ich diesen Sprung zum ersten Mal überhaupt öffentlich zeigen. Es funktionierte und beeindruckte die Judges und anderen Wettkämpfer. Als ich an de Strand zurückkam, waren alle schockiert! Der legendäre Mike Waltze und Matt Sweitzer kommentierten den Moment: "Dies ist der radikalste und unglaublichste Sprung, der je in der Geschichte des Windsurfens erfunden wurde. Du hast es geschafft Cesare!"

Von da an entwickelte das Windsurfen alle Formen radikaler und innovativer Sprünge und Manöver in Wellen, die in auch die meisten Freestyle-Moves auf Flachwasser inspirierten. Es war der beste Moment meiner Karriere. Ich wurde berühmt und war danach auf allen Covern der Windsurfing-Magazine zu sehen. Nur wenige Monate später wurde der Name des Sprunges während meines ersten Events in Südafrika in Cheeseroll "Cesar-Roll" geändert. Zusammen mit dem Organisator Terry Wyner entschieden wir, dass Killer Loop zu amerikanisch war und nicht auf meinen Namen anspielte.

1986 - Cesare springt den Killer Loop, der später in Cheeseroll umbenannt wird.
Was viele nicht wissen: Die Cheese Roll soll auch auf Cesares Namen anspielen.
1986 - Cesare springt den Killer Loop, der später in Cheeseroll umbenannt wird. Was viele nicht wissen: Die Cheese Roll soll auch auf Cesares Namen anspielen.

Wie bist du auf die Idee für diesen Sprung gekommen und wie lange hast du trainiert, um ihn zu stehen?

Es war im Sommer 1985 am Diamond Head. Akrobatische Rückwärts- und Vorwärtsdrehungen haben mich immer wieder fasziniert. Wir kannten damals nur den Backloop und ich habe mich inspirieren lassen und die verschiedenen Möglichkeiten einer Vorwärtsdrehung angeschaut.

Mein erster Ansatz war, eine gerade End-zu-Ende Vorwärtsdrehung zu machen, indem ich den Mast vollständig vertikal um seine Achse rotieren ließ. Das heißt, ich musste hoch genug springen, um über die gesamte Mastlänge zu rotieren. Der erste Sprungversuch war absoluter Selbstmord, denn meine Technik war es, komplett aufzufieren und den Körper nach vorne zu schieben, während er sich auf dem Weg nach unten dreht. Du kannst dir den Unfall vorstellen, bei dem ich mit dem Kopf voraus im Segel landete. Ich hätte mir fast das Genick gebrochen.

Ich dachte, das würde nicht funktionieren und sei zu gefährlich, deshalb beschloss ich, es für ein paar Tage sein zu lassen. Einen Monat später begann ich, an hawaiianischen Wave-Wettbewerben wie dem OP-Classic und dem Maui Grand Prix teilzunehmen, und nachdem ich in mehreren Läufen verloren hatte, weil die Locals klar bevorzugt wurden, verstand ich, dass ich mich bei meinen Heatscores mehr als klar durchsetzen musste. Bis zur Aloha Classic auf Maui blieben nur 10 Tage und ich hatte wenig Zeit, meine Technik zu perfektionieren. Aber es war meine große Chance.

Dann begann ich wieder, den Sprung mit meinem Bruder Sergio und meinem Freund Gianni Squitieri, einem Sportfotografen, zu analysieren, um die bestmögliche Lösung zu finden. Ich beschloss, zuerst den Sprung in Little Bay (Baby Beach) auf Maui zu versuchen, damit mich niemand sehen konnte. Zu dieser Zeit war es ein Geheimspot, an dem nur Mike Eskimo und wenige andere Fahrer für Actionbilder fuhren. Mike hat mir den Spot gezeigt. Ich begann dann im Geheimen vor der Aloha Classic den Sprung zu üben. Ich entschied mich, zur Sicherheit in Seitenlage zu rotieren, gleichzeitig ermöglichte dies eine sicherere Landung im Wasser. Ich übte, bis ich die Rotation und die Landung perfektioniert hatte. Mike Eskimo sah das und brüllte "Das ist Killer!" Damit war der Killer Loop geboren, der später zur Cheeseroll wurde.

Die ersten Windsurfmomente hat sich Cesare ertrotzt.
Die ersten Windsurfmomente hat sich Cesare ertrotzt.

Du warst nicht immer ein Profi-Windsurfer. Wie hast du mit dem Windsurfen angefangen?

Das war an der Marina di Ravenna (Adriatische Riviera) etwa 1978. Mein Vater kam gerade an einem Sportgeschäft vorbei, wo am Fenster ein 360 Sordelli Board all inclusive mit Unterricht angeboten wurde. Er entschied sich es zu kaufen und meine ganze Familie außer mir begann mit dem Windsurfen. Ich war 9 Jahre alt und niemand glaubte, dass es kleinen Kindern möglich sein würde, mit dem Material umzugehen.

Ich beobachtete also die Großen und hörte mir alle Lektionen an. Dann fragte ich meinen Vater fragte, ob ich es ausprobieren könnte. Und dann begann ich also auch mit damit. Es war Liebe auf den ersten Blick und seitdem bin ich immer noch total süchtig nach Windsurfen. Für alle, die es vielleicht nicht wissen: Es gab es zu dieser Zeit nicht die Ausrüstung wie wir sie heute kennen. Die Riggs und Bards waren sehr schwer und groß. Kurz darauf bekam ich mein erstes Board, eine Sordelli 330, eines der ersten Juniorboards auf dem Markt.

Damals gab es keine GoPro. Die Spiegelreflexkamera wurde am Mast befestigt.
Damals gab es keine GoPro. Die Spiegelreflexkamera wurde am Mast befestigt.

Wann hast Du dich für Wettkämpfe interessiert?

Ich begann in Italien bei nationalen Windsurfer-, Windglider- und Division-II-Regatten zu starten, gewann bald alle italienischen Meisterschaften und nahm an allen Weltmeisterschaften teil. 1984, anlässlich der Olympischen Spiele in L.A., qualifizierte ich mich für Italien, aber der italinische Seglerverband entschied, dass ich zu jung war. Dann überzeugte ich meinen Vater, mich von der Schule gehen zu lassen, um mein hawaiianisches Abenteuer zu beginnen. Dort wollte ich meine Fähigkeiten im der Welle verbessern. Ich wollte Profi werden.

Mein Vater gab mir eine begrenzte Anzahl von American Express Traveller Cheques und sagte: "Wenn du die ausgegeben hast, ist es Zeit nach Hause zu kommen". In der Minute, in der ich aus der 12-sitzigen Aloha Airline Islander Maschine am Flughafen Kahului auf Maui ausstieg, wusste ich, dass meine Mission lautet, nicht wieder nach Hause zu müssen.

Um es kurz zu machen: Ich kaufte 6 Kilo weißen Reis im Super-Value-Pack und das war meine tägliche Speisekarte für die nächsten 6 Monate. Maui wurde zu meiner Windsurf-Universität und hat mich auf die Windsurfing-Events der nächsten Jahre vorbereitet.

Der Österreicher Mike Eskimo (links) und Cesare Cantagalli (rechts)
Der Österreicher Mike Eskimo (links) und Cesare Cantagalli (rechts)

Irgendwann hast du deine aktive Karriere beendet. Hattest du einen Plan, was du nach deiner professionellen Windsurfkarriere tun solltest?

Ich habe mehr als ein Jahrzehnt lang an der World Tour teilgenommen, bis ich 1994 beschloss, mit den Wettkämpfen aufzuhören. Ich wollte Reisen, neue Windsurfspots entdecken war hungrig nach neuen Abenteuern. Der Wettkampf auf hohem Niveau führt dazu, dass man mit einer gewissen Routine das ganze Jahr über reist, aber allmählich verliert man die Verbindung zu Orten.

Am Ende erfährt man sehr wenig über diese Orte. Mein letzter PWA-Event war 1994 in Barbados. Von dort aus startete ich meine Glob-O-Tour-Reise in die Karibik. Die GOT (Glob-O-Tour) war für mich eine einzigartige Gelegenheit, die Lifestyle-Botschaft in die Windsurfwelt zu übertragen. Ich war der erste Windsurfer, der auf der Suche nach neuen Spots gezielt reiste, und ich entdeckte viele Reiseziele, die heute zu den beliebten Urlaubsorten geworden sind.

Meine Reportagen und Videos wurden in Windsurf- und Reisemagazinen veröffentlicht. Dies war der Ausklang meiner Zeit als professioneller Windsurfer und nahm mir den Druck, mich in Wettkämpfen beweisen zu müssen.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war Cesare ein Superstar.
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war Cesare ein Superstar.

Nach seinem Ausstieg aus dem Profi-Windsurfen arbeitete Cesare in verschiedenen Jobs, bevor er seine eigenen Marken ins Leben rufen konnte.

Was hast du nach deiner Windsurfer-Karriere gemacht?
Ende der 90er Jahre begann ich für große Marken der Branche zu arbeiten, von Bekleidungsmarken bis hin zu Ausrüstung. Ich arbeitete als Techniker, Designer und Marketing Manager. Ich habe meine Fähigkeiten nie aus Büchern gelernt, sondern habe das während meiner Windsurfzeit in der Praxis gelernt. Ich habe die Entwicklung des Windsurfens als Sport seit den ersten Tagen miterlebt und konnte dabei viel lernen.

Dann hast du die Marken novenove (jetzt I-99) und Duo erfunden. Warum hast du eine Windsurf-Marke gegründet? Schließlich boomt die Branche nicht wirklich?
Ich bin mit dem Windsurfen aufgewachsen und dort liegen meine Wurzeln. Mit I-99 und dank meines Geschäftspartners Gianluca hatte ich endlich die Möglichkeit, mich mit meinen beruflichen und persönlichen Erfahrungen und den Visionen zu verwirklichen. Die Energie, die Windsurfen für mich erzeugt, ist schwer zu beschreiben. Ich bin einfach für andere Lebenswege blind. Selbst bei hohem Geschäftsrisiko dominieren mein Gefühl und meine Liebe zum Windsurfen und ich glaube, dass ich meine Ziele und Träume erreichen kann. Das beste Ergebnis, das man erzielen kann, ist, wenn die Kunden zufrieden sind und das Produkt als erstklassig angesehen wird.

Das Cantagalli-Trio: Links Cesare, rechts sein Bruder Sergio und in der Mitte der Vater Omero
Das Cantagalli-Trio: Links Cesare, rechts sein Bruder Sergio und in der Mitte der Vater Omero

Wird Foiling das nächste große Ding sein?
Das wird es. Die Frage ist, wird es nur ein weiteres Marketing-Spielzeug oder eine Gelegenheit die Grenzen unseres Sports zu verschieben? Das Gefühl bei fünf bis sechs Knoten Wind über das Wasser zu fliegen ist ein Erlebnis und es gibt dort viel Potenzial unseren Sport einer breiteren Masse zugänglich zu machen.

Windsurfen auf allen Niveaus und in allen seinen Formen ist eines meiner Mottos im Sport "get out there no matter how and no matter what", deshalb habe ich das DUO Board entwickelt und bin seit kurzem auch mit I-99 am "Windsurfer Project" beteiligt. (Anm. d. Red.: Das "Windsurfer Project" eine modifizierte Neuauflage des Original-Windsurfers.)

Windsurfen ist eine Möglichkeit eine Leidenschaft zu teilen, die alle Wassermänner und Frauen verbindet. Es ist wie ein besonderer Rahmen von Menschen, die durch die Natur und ihren Lebensstil miteinander verbunden sind.

In seiner Profi-Zeit arbeitete Cesare aktiv mit Fotografen zusammen.
In seiner Profi-Zeit arbeitete Cesare aktiv mit Fotografen zusammen.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ambitionen sind wichtig und ich will meine Ziele erreichen. Auf der anderen Seite bin ich gerade 50 geworden und habe das Gefühl, dass es noch viele Dinge gibt, die ich noch tun möchte. Ich möchte, dass I-99 den Erwartungen gerecht wird. Ich will etwas Besonderes kreieren, mit meinen Erfahrungen, meiner Geschichte, meiner Persönlichkeit und dem italienischen Design-Stil, den ich für Produkte nutze.

Wir haben in den letzten Jahren und Monaten mit voller Kraft daran gearbeitet, unser Projekt durch einen neuen Vertrieb mit Sitz in Straubing zu erweitern. Früher war ich auch Botschafter einer der größten deutschen Windsurfmarken und das ist mir sehr wichtig.

EIne Perspektive, die heute selten ist: Die Kamera sitzt vor dem Mastfuß
EIne Perspektive, die heute selten ist: Die Kamera sitzt vor dem Mastfuß

Surfst du immer noch viel?
Nicht genug. Ich wünsche mir mehr Zeit auf dem Wasser und wann immer es mit meiner Arbeit vereinbar ist, bin ich da draußen beim Surfen, Windsurfen oder SUPen. Ich möchte dem Wasser verbunden bleiben, denn wann immer surfe, fühle ich mich wie ein Kind oder wie ein kindlicher Traumheld.

Du bist jetzt in Italien ansässig?
Ich reiste um die ganze Welt, um die besten Spots der Welt zu entdecken und am Ende fand ich hier in Italien eine Erfüllung. Es gibt hier die Magie einer perfekten Welle, umgeben von italienischer Kultur und mediterranen Aromen. Man kann das nicht übertreffen!

22.02.2019 © DAILY DOSE  |  Text: Christian Tillmanns  |  Fotos/Grafiken: Gianni Squitieri / CANON, Privat / Cantagalli

Cesares Marke DUO kombiniert eine aufblasbare Front mit herkömmlichen Tail.
Cesares Marke DUO kombiniert eine aufblasbare Front mit herkömmlichen Tail.
Früher war er ein Weltenbummler, heute schätzt er Italien umso mehr.
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