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 Sardinien
Sardinien
'Haben wir keine Mittel mehr, fahren wir ans Mittelmeer' dachte sich Chris Hafer an einem trüben Novembertag des vergangenen Jahres. Die italienische Insel Sardinien war schnell als lohnendes Ziel für einen Kurztrip ausgesucht und bei dem tristen grau in grau brauchte es nicht viel Überredungskünste, um seine Freunde zum intensiven Studium der Fährverbindungen zu motivieren.

Der Nachahmer sei gewarnt - was auf den Homepages der italienischen Fährlinien steht, muss nicht immer richtig sein. Sehr amüsant war auch der Versuch einer Online-Buchung. Das zunächst günstige Angebot einer Fährlinie wechselt mitten im Buchungsprozess in die italienische Sprache und die angegebenen Preise wurden wohl nach dem Zufallsprinzip erhöht.

Klärung brachte ein Anruf in Italien: Statt wie angegeben im Wagen übernachten zu können (angeblich viel zu gefährlich), war eine Kabinenbuchung Pflicht. Wer sich die Fähre bei Tageslicht näher betrachtete, wurde jedoch das Gefühl nicht los, dass der Wagen wohl der sicherste Platz gewesen wäre - nahe den Surfbrettern...

Nach knapp 12-stündiger Fahrt lichtete sich der Nebel und Regen soweit, dass man die Insel Elba vor Piombino in der Abendsonne erkennen konnte. Das Beladen der Fähre war um diese Jahreszeit mangels Masse an Fahrgästen eine sehr persönliche Angelegenheit - mit dem Capitano waren wir schnell per Du. Der nächste Sonnenaufgang sah uns bereits mitten auf Sardinien, bei der Fahrt von Olbia in Richtung Westküste, nach Putzu Idu.

Sardinien
Daniele, ein Sarde, den wir von früheren Touren nach Sardinien gut kannten, wohnt direkt an einem der besten Surfspots in Europa, aber selber surfen? Und dann noch um diese Jahreszeit? Für Italiener eigentlich nicht vorstellbar...

Das einige Italiener doch anders denken, zeigte sich bei unserer Ankunft in Danieles Garten, etwa 25 Wellenreiter teilten sich die Wellen am Mini Capu. Und die Bedingungen waren alles andere als italienisch: Im strahlenden Sonnenschein glasklar und grün, offshore Wind, dazu eine Traumkulisse, die eher an Bilder die man aus Hawaii kennt erinnerte, als an das als spiegelglatte Pfütze verschriehene Mittelmeer.

Besagtes präsentierte sich während unseres gesamten 10-tägigen Aufenthaltes alles andere als sein Ruf entsprechend - jeden Morgen weckten uns die Wellen, etwa 30m von unserem Schlafplatz entfernt. Doch Surfen heißt auch suchen, und selbst bei den perfekten Wellenreitbedingungen direkt vor uns, wir waren vor allem zum Windsurfen hergekommen.

Weit suchen mussten wir nicht, etwa 300 Meter in Luv vom Mini Capo lag die große Version: Capo Manu. Und groß ist das richtige Wort; beim ersten Mal rieben wir uns noch verwundert die Augen. Massive Wellen bogen um die Felsnase des weit nach Westen ragenden Kaps und erreichten locker Masthöhe in der Bucht. Das so perfekte Wellen beinahe ungesurft blieben hatte seinen Grund; rundum Steilküste mit messerscharfen Felsen, gespickt mit Seeigeln, unter Land null Wind. Rechtzeitiges Aussteigen aus der Welle war notwendig, wenn man nicht dem teilweise angeschwemmten Wohlstandsmüll am Fuße der Felsen Gesellschaft leisten wollte.

Entsprechend vorsichtig tastete ich mich in die Wellen, zunächst nur auf der Schulter, dann immer tiefer in der Welle, bis zum Sonnenuntergang...

Sardinien

Aber auch reine Spaßreviere lagen direkt in unserer Nähe. Sa Roca Tunda, von den Italienern als angeblich nordseeähnliches Onshore-Revier verachtet. Ein weiter Sandstrand, der den Maestrale voll ab bekommt, mit netten Walzen zum Springen. Scheint als wären noch nicht viele Italiener an der Nordsee gewesen, sonst würden sie auch diesen Spot mehr schätzen...

Unser erster Versuch beinahe bei Einbruch der Dunkelheit endete zwar ohne Berührung mit eventuell unter der Wasseroberfläche liegenden und in der Dämmerung nur schwer sichtbaren Hindernissen, dafür aber mit einem einsamen Strandspaziergang... tja, wenn man im Dunkeln seinen Bus nicht mehr findet...

Nach den sardischen 'Highways', insbesondere bei den sehr unitalienischen Regenfällen, war es Zeit für eine 'autolavaggio sardi'– einmal Autowaschen auf Sardisch. Einfach Richtung nächsten Ort fahren, irgendwann kommt einem garantiert eine Schafsherde auf der Fahrbahn entgegen...

Auch ein guter Grund für eine Fahrt in den nächsten Ort ist immer der sinkende Weinvorrat! Wichtig: Grossen Kanister mitnehmen, in den sogenannten Cantina sociale, den Winzergenossenschaften, gibt’s Wein direkt vom Fass, ein Euro pro Liter sorgt für glückliche Abende.

An dieser Stelle auch noch einmal ein dickes Grazie an unsern Gastgeber Daniele, der uns vier nicht nur mit Restbeständen aus seinem Strandkiosk bestens versorgte und sein Haus in eine deutsche Kolonie verwandelt sah. Das er für uns typisch sardische Spezialitäten (frische Seeigel roh, Peccorino mit lebenden Maden, oder ähnliche Leckerein) kochte, konnten wir gerade noch (teilweise unter Einsatz alkoholischer Überzeugungsmittel) verhindern. Inzwischen hat auch er mit dem Windsurfen begonnen, alles andere wäre auch eine Schande bei seiner Wohnlage. Trotz der radikalen Bedingungen am Capo Manu ist die Bucht von Putzu Idu mit weitem Sandstrand und glattem Wasser perfekt für Anfänger und Fortgeschrittene.


Sardinien

Auch in den nächsten Tagen verließ uns zwar leider der Regen nur selten, ebenso selten aber auch der Wind. 4.2 / 4.7 war in Sa Roca Tunda meist eine gute Wahl, wobei Holger sich der italienischen Gelassenheit anpasste und aufs Segelabriggen verzichtete ('...fahr ich eh morgen wieder') und kurzerhand das Rigg komplett in seinen Bus lud, zumindest soweit es reinpasste...

Kurz vor unserer Rückfahrt zogen wir Richtung Norden, nach Porto Pollo. Der Hühnerhafen war um diese Jahreszeit ziemlich ausgestorben, und der Versuch, in den im Sommer von Touris überlaufenen Orten ein offenes Restaurant zu finden gleicht einer Odysee, vor allem mit knurrendem Magen und im Regen. Am letzten Tag noch einmal Surfen bis zur Dunkelheit, dann die ca. 368 Kurven bis nach Olbia, um noch einmal den Supermercato zu räubern.

Auf der Rückfahrt wurde uns klar, warum wir einen höheren Preis als den im Internet angegebenen bezahlt hatten, wir hatten die Zusatzfahrkarten für die Achterbahn gelöst! 7 Tage Maestrale in Folge hatten auch Auswirkungen auf das Fahrverhalten unseres Capitano, aber nach den Schlaglöchern der sardischen Strassen waren wir ja einiges gewohnt. Wie üblich stellte sich dann bereits hinter dem Gotthard-Tunnel angesichts des Wetters die Frage: 'Wann fährt die nächste Fähre?'


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