Windstruck in a Land Down Under
Teil 1 / Ningaloo
Eine halbjährige Auszeit in Westaustralien - Eva Marie Drape-Hülsemann reiste im Winter 2016/2017 zum Windsurfen und Fotografieren nach Down Under.
Windsurfen im Wendekreis des Krebses – mit diesem Ziel vor Augen begann Ende September 2016 eine turbulente Woche in Perth. Vorbereitet durch regen Austausch von Emails erwarb ich einen Ford Mondeo Kombi inklusive Zulassung, Versicherung und Mitgliedschaft im Automobilclub, einen zwei Jahre alten 89l Starboard Quad sowie eine Telefonkarte von Telstra, mit der man von jeder asphaltierten Straße im Land aus telefonieren kann: ’Where there’s a road you are covered’. Als Highlight holte ich schließlich mein Material bei Severne ab.
Von Geraldton aus, wo ich noch alte Bekannte besucht hatte, brach ich Anfang Oktober auf, als die Schulferien gerade zu Ende gingen. Surfmaterial und Gepäck waren sicher im Kombi verstaut. Es war noch ein Prototyp vom 72l Ultra Kode dazugekommen, den Mark und Jaeger Stone für Starboard entwickelt hatten. Bis zur Fertigstellung meines eigenen Waveboards durfte ich ihn testen.
Das fand ich super und fing dann in bester Stimmung schon einmal mit einem kleinen Beschleunigungstest bei meinem Dieselfahrzeug an. Dieser Spaß wurde schon nach 60 km jäh unterbrochen - $ 200,00 Strafmandat wegen Geschwindigkeitsüberschreitung und 2 Strafpunkte! Außerdem noch eine Ermahnung, auf dem Weg nach Norden auf Emus und Kängeruhs zu achten. Zurück in der Wirklichkeit hielt ich mich fortan an die Gesetze des Gastlandes.
Nach einer Übernachtung in Carnavon erreichte ich am nächsten Tag Exmouth, wo ich beim Potshot Memorial, einer Erinnerungsstätte an die Teilnahme Australiens im 2. Weltkrieg, einen kurzen Zwischenstopp einlegte, um mir das ehemalige Militärgelände anzusehen.
Von hier aus führt die Straße am North West Cape entlang bis zu der ehemaligen Schaffarm Yardie Homestead, die heute als Campingplatz genutzt wird. Ich war mitten im Ningaloo Marine Park, 1250km nördlich von Perth, und endlich angekommen.
Der gesamte, atemberaubend schöne Küstenbereich von Ningaloo ist Weltkulturerbe. Die Artenvielfalt des Riffs ist außergewöhnlich groß, z.B. gibt es mehr als 200 verschiedene Arten von Korallen sowie mehr als 500 Fischarten. Mein Lieblingsstrand zum Windsurfen wird von den Locals Graveyard (Friedhof) genannt, weil die grünen Riesenschildkröten zu diesem Strand zurückkehren, um ihre Eier abzulegen und dort zu sterben. Von der einsam gelegenen Bucht geht ein eigenartiger Zauber aus, die Zeit scheint still zu stehen.
An Tagen mit schwächerem Wind sieht man frühmorgens einige SUPs in den kleinen Riffwellen. Kiter können häufig schon ab mittags aufs Wasser, während Windsurfer eher am frühen Nachmittag Gleitwind haben. Ab 16 Knoten habe ich als Leichtgewicht auf dem Quad mit dem 5.3 Blade schon richtig viel Spaß im moderaten Swell. Über den Kiter, der an mir vorbeizieht, freue ich mich, denn ganz allein auf dem Indischen Ozean surfen will ich ja auch nicht...
Nach 10 Tagen Schwachwind und ganz viel Schnorcheln biegen sich plötzlich die Palmen neben meiner Hütte, und eine Kokosnuss verfehlt nur knapp mein Auto. Endlich mal das kleine Waveboard fahren! Ich kann gar nicht schnell genug zum Surfspot kommen – und biege in den falschen Sandweg ein! Es gibt kein Hinweisschild für Graveyard, nur einen kleinen, etwa 30cm hohen Hinkelstein.
Das erste Mal in meinem Leben stecke ich im Sand fest. Also Hut auf, Wasserflasche mitnehmen und zurück zur Hauptstraße. Aus Richtung Cape Range National Park kommt nach einigen Minuten ein riesiger, schwarzer 4WD und hält. Ein wettergegerbter Mann aus dem Norden, Typ Crocodile Dundee, klettert heraus: „Was ist los?“ „Ich sitze fest.“ „Wie tief?“ In 10 Minuten hat er alle Probleme gelöst. Surftag gerettet.
Graveyard zeigt sich von seiner schönsten Seite – Sideshore Wind, 24 Knoten mit zunehmender Tendenz, 2m Swell und nur 8 Surfer auf dem Wasser. Eine Gruppe risikofreudiger Kiter fährt am ’Bommi’, 20km weiter nördlich an der Spitze vom North West Cape. Die Wellen sind dort größer und wuchtiger, von überwältigender Schönheit. Es gibt aber im Oktober noch viele Wale, die auf ihrem Weg nach Süden dicht am Kap vorbeiziehen sowie eine starke Strömung.
Ich rigge mein Blade 4.5 und steige in Jaeger Stones Fußschlaufen, deren Abstand von 61cm ich nicht verändert habe. Die Schrittweite ist ähnlich wie auf einem Wellenreitbrett, und das Board kann mit dem hinteren Fuß gut unter Kontrolle gehalten werden. Der als Thruster getrimmte Ultra Kode schneidet problemlos durch das Weißwasser und läßt sich mühelos halsen. Beim Angleiten hakelt er aber ein bißchen, das Gewicht der 5 Finnenkästen macht sich wohl bemerkbar. Mit spielerischer Leichtigkeit fahre ich kleine Turns in der Welle, lasse los und genieße das Gefühl von Flow...
An diesem Traumtag komme ich als letzte vom Wasser – alle anderen trinken schon Bier. Aber den Sonnenuntergang schauen wir uns gemeinsam an – natürlich mit Bier – und es wird noch viel erzählt. Good on’ya mates.
Auf der Suche nach Wind entdecke ich auch Bundegi Beach. Die riesige Bucht nördlich vom North West Cape wirkt wie aus der Zeit gefallen. Bei günstigen Winden trifft man zwar manchmal auf Slalomfahrer, meist ist der Strand außerhalb der Feriensaison aber fast menschenleer. Allein bleibe ich trotzdem nicht – 2 Pelikane spazieren mit mir zusammen den Flutsaum entlang.
Die typischen Oktoberwinde kommen in diesem Jahr nicht bis zum Wendekreis des Krebses (23° 26’ 5’’ südlicher Breite) durch. Insgesamt erlebe ich drei absolute Traumtage auf dem Ultra Kode und vier entspannte Easy-Surfing-Tage mit dem Quad während meiner drei Wochen in Ningaloo. In der Zeit dazwischen gehe ich an den schier endlosen, unberührten Stränden des Cape National Parks schnorcheln und schwimmen, am liebsten in Lakeside und Turquoise Bay.
Abzutauchen und an einem Meer von farbenprächtigen Korallen in den unterschiedlichsten Formen entlang zu gleiten, umschwärmt von einer Vielzahl größerer und kleinerer bunter Fische, oder von einem Delphin überrascht zu werden, der zusammen mit fliegenden Fischen neben mir aus dem Wasser springt, ist eine surreale Grenzerfahrung, die mit dem Leben oberhalb des Wassers versöhnt und zu einem tiefen Gefühl von Dankbarkeit führt.
Hier findet ihr eine englischsprachige Version der Story, aufbereitet als Poster zum Downloaden:
Poster 1 /
Poster 2
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zweiten Teil der Reise inklusive Tipps zur Reiseplanung für Australien.