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Normandie
Der Lauf der Dinge ist nicht wirklich planbar. Jeder von uns kennt dieses Gefühl, wenn der Wetterbericht sich zum hundertsten Mal ändert und der Wochenendtrip deswegen wieder ins Wasser fällt.

Schlimmer noch trifft es einen, wenn der lang geplante Urlaub mit der Jahrhundertflaute gesegnet wird. Hinzu kommt, dass man in den Medien die Berichte anderer Reisenden liest und nahezu perfekte Bedingungen auf den Fotos sieht.

Diese perfekten Bedingungen sind es, die einen zu neuen Reisen antreiben. In unserem Fall war es etwas anders, denn schon kurz vor der Abreise war klar, dass unsere Tour nicht unter einem besonders guten Stern stehen sollte.

Unser Plan war es, für ein bis zwei Wochen die nordfranzösische Küste abzuklappern. Der Wetterbericht für diese Region war, eine Woche vorher, unglaublich gut. Es wurden 5 Tage Wind mit über 20 Knoten gemeldet, sogar Swell mit bis zu 4 Meter Höhe.

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Je näher wir unserer Abfahrt kamen, desto weiter reduzierte sich die Aussicht auf reiche Beute – anstatt 5 Windtagen wurden nur noch 3 prognostiziert.

Gleichzeitig verschob sich unsere Abfahrt aufgrund beruflicher und universitärer Verpflichtungen um zwei Tage nach hinten. Als es dann endlich losging, war der Wetterbericht alles andere als gut.

Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und Prognosen können sich schnell ändern. Nach 18 Stunden Autofahrt und einer schlaflosen Nacht standen wir dann pünktlich um 12 Uhr mittags am Strand von Siouville.

Verdammt wenig Wind, aber masthohe Wellen. Nach kurzer Diskussion wurde erst mal das Schlafdefizit bekämpft, denn übermüdet ohne Druck im Segel durch die Brandungszone zu dümpeln motivierte nicht wirklich.

Nach zwei Stunden Schlaf ging es dann bei einsetzender Ebbe aufs Wasser. Die Bedingungen waren deutlich kleiner, aber immer noch knapp masthoch. Auf den ersten 100 Metern wurde es ein Lotteriespiel, ob man von dem nahenden niedergemäht wurde. Hatte man es endlich mal nach Draußen, waren die Strapazen beim ersten Ritt schnell vergessen.

Irgendwann setzte dann die Müdigkeit ein, Fehler häuften sich und Waschgänge wurden eher zu Regel als zur Ausnahme. Aus Rücksicht auf Mensch und Material wurde beschlossen, die Session zu beenden und lieber noch weitere Tage mitzunehmen.

Dies sollte in Hinblick auf den kommenden Wetterverlauf aber nicht die weiseste Entscheidung gewesen sein.
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Am zweiten Tag fühlte man sich nach etwas Schlaf deutlich besser. Der Wind hatte auf Onshore gedreht und abgenommen. Bei verbleibendem 3-4m Swell und ohne deutlichen Channel wollte man sich nicht mit den Wellenreit-Longboards abkämpfen. Wir mussten Lehr- und Spritgeld zahlen, denn wir fanden keinen Spot, an dem man entspannt Wellenreiten gehen konnte.

Der Tag darauf war dann fast eine Erlösung. Nahe der Stadt Cherbourg fanden wir in Collignon einen perfekten Spot. Direkt neben der Hafenmole brach eine 1-2m Welle. Kaum Strömung, kaum Wind und nur 2 Leute auf dem Wasser.

Leider mussten wir erfahren, dass auch der Tag vorher hier ziemlich perfekt gewesen sei. Shit happens! Diesen Frust konnten wir uns aber halbwegs 'wegsurfen', denn während man in Dänemark noch mit Haube, Schuhen und Handschuhen Paddeln muss, reichten hier nur Booties aus.

Aus Verzweiflung wurde dann auch der Kona Mini Tanker ausgepackt, um die letzten Windböen auszunutzen. Mit Glück konnte man sich auf eine Schulter retten und diese etwas abrutschen.
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Der nächste Tag begrüßte uns mit dickem Seenebel. Das Wetter glich eher Hamburger Verhältnissen. Alles war nass, Regen jedoch nicht in Sicht und Wind mal wieder aus West, der uns Gleitbedingungen bescheren sollte.

Die Spotwahl fiel wieder auf Collignon in der Hoffnung, diese perfekte Welle bei Wind zu surfen. Auf dem Weg dahin änderte sich der Himmel rasant. Aus dicken Wolken wurde strahlend blauer Himmel. Am Hafenbecken konnte man die 20kn erahnen. Die Vorfreude stieg endlich mal einen perfekten Tag zu erleben.

Doch wieder kam alles anders. Collignon hatte sich von einem 1A Jetty-Spot in eine Speedpiste verwandelt. Es war eher der 49,09 Knoten Weltrekord in Sicht als Wellenreitbedingungen.

Etwas enttäuscht ging es dann aufs Wasser. Während französische Locals mit 8.5m² Antoine Albeau Paroli bieten wollten, waren wir mit unserer Leichtwindcombo am Start: 5,3er und 120-Liter-Board.

Die Enttäuschung war noch größer, als beim abendlichen Internet-Check der Wetterbericht noch schlechter wurde: Kein Wind und keine Wellen für die nächsten Tage...

Also blieb uns nichts anderes übrig, als nach einer Wellenreitsession bei kleinen Wellen in Carteret das Kulturprogramm zu eröffnen.

Die Normandie hat aufgrund ihrer jüngeren Vergangenheit weit mehr zu bieten, als eine swelleinfangende Küste im Westen. So erkundeten wir die bekannten Schauplätze der Invasion der Alliierten von 1944.

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Wettertechnisch keimte dann ein Funken Hoffnung auf, als für das eine halbe Tagesreise entfernte Holland Nordwest-Wind gemeldet wurde. Das Kapitel Normandie war damit abgehakt und wir fuhren an der Küste entlang in Richtung Norden.

Dann folgte, was bei einem schlechten Trip kommen musste. Vielleicht lag es daran, dass eine schwarze Katze unseren Weg kreuzte, wir eine schwarze CD eingelegt hatten, unser Horoskop missachteten oder wir einfach nur zu unachtsam waren. Bei einem Ausweichmanöver trafen wir frontal auf eine Verkehrsinsel.

Der Klügere gab nach und somit verabschiedete sich unsere vordere linke Felge. Der Waagen rutschte mehr oder weniger unkontrolliert 100m weiter bis er sich am Straßenrand in lockere Erde eingrub.

Glück im Unglück: kein Baum in der Nähe und der Straßengraben noch ein paar Zentimeter entfernt. Das ohrenbetäubende Zischen beim Aussteigen entpuppte sich dann glücklicherweise als ein defektes Hinterrad.

Eine ADAC-Plus-Mitgliedschaft lohnt sich doch immer wieder. Holland war damit natürlich gestorben.

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Nach einigen Rücksprachen mit dem ADAC und der Werkstatt wurde uns klar gemacht, dass der Bus getrennt von uns die Heimreise antreten würde. Wir versuchten nun den ganzen Surfkrempel in eine Limousine zu packen und einfach nur noch nach Hause zu kommen.

Im Glauben, es könnte gar nicht mehr schlimmer kommen, fuhren wir zurück in Richtung Heimat. Doch wieder einmal sollten wir uns irren. Zwei Stunden nach Abfahrt, so in etwa auf Höhe der Belgischen Grenze, fiel Alexi ein, nach seinen Hausschlüsseln zu suchen. Die steckten noch im Bus...

Zurück in Hamburg und nach Eröffnung einer neuen Kurzzeit-WG fiel uns dann aber auf, wie erlebnisreich und lustig das ganze Chaos eigentlich war.

Trotz einer Woche mit 3500 gefahrenen Kilometern, einem demolierten Auto und schlechter Wetterbedingungen waren wir irgendwo dankbar, dies überhaupt gemacht zu haben. Manchmal ist einfach der Weg das Ziel. Scheiß aufs Horoskop!