
Wir sind dann mal weg…
So lautete Anfang April unser Motto, in Anlehnung an Hape Kerkelings
Bestseller. Und dieser kurze Satz traf es ziemlich genau, auch
wenn wir nicht auf einem Pilgerpfad auf der Suche nach Gott, Erleuchtung
oder uns selbst unterwegs waren, sondern unterwegs auf der Suche
nach Wind, Wellen und Sonne. Und all das müsste doch eigentlich
auf der Mittelmeerinsel Sardinien um diese Jahreszeit zu finden
sein... so dachten wir jedenfalls.
Aber: Irgendwie war dieses Jahr alles anders als gedacht. Schon
die Windvorhersagen vor unserer Abfahrt sahen, nun ja, nicht gerade
rosig aus. Aber auf einer Insel, da sollte sich doch eigentlich
immer ein Strand mit Wind aus der richtigen Richtung finden lassen.
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Und so fanden wir uns auch tatsächlich
bei erhofftem Sonnenschein an der Nordostküste ein, nachdem
uns ein spektakulärer Sonnenaufgang auf der Insel begrüßt
hatte. Zum Sonnenschein gesellte sich auch Wind, 15-20kn, dazu
ein nahezu unbevölkerter Strand und traumhafte Wasserfarben
fast für uns alleine, da die meisten der zahlreichen Touri-Surfer
versuchen, sich im Getümmel von Porto Pollo gegenseitig umzufahren.
So verlief der erste Tag schon einmal genau nach Plan, was in
Italien ja grundsätzlich mehr als ungewöhnlich ist.
Aber eigentlich wollten wir ja auch mal ein paar der netten sardischen
Wellen abgreifen. Unsere einheimischen Informanten meldeten tatsächlich
für den nächsten Tag brauchbare Bedingungen in Chia,
am Südende der Insel. Also wurde kurzerhand im Schutze der
Dunkelheit die Insel einmal längs durchquert, was allerdings
nur dann wirklich empfehlenswert ist, wenn man die Strecke zumindest
einigermaßen kennt.
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An dieser Stelle sei ein
Einschub über italienische, bzw. deren Steigerung, sardische
Strassen erlaubt. Während schon die Streckenführung
an sich in Italien nicht zwingend von dem Grundsatz der kürzesten
Strecke von A nach B bestimmt wird, sondern eher kreativen und
spontanen Einfällen zu folgen scheint, wird dies noch ergänzt
durch den Zustand der Strassen, in deren Schlaglöchern schon
ganze Kleinwagen verschwunden sein sollen, und dem vollständigen
Fehlen von Beschilderung respektive gezielter Desinformation.
Ein gutes Beispiel findet sich derzeit – und so wie es aussieht
auch noch für längere Zeit – am Ortseingang von
Putzu Idu an der Westküste. Dort wird mittels Schild am Ortseingang
der Verkehr autoritär umgeleitet. Befragt man Einheimische
nach dem Grund, stellt sich heraus, dass lediglich vergessen wurde,
dieses Schild nach einem Ortsfest im Sommer 2006 wieder zu entfernen...
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Schildern und Strassen zum
Trotz erwachten wir am nächsten Morgen in Chia, hatten jedoch
irgendwie nicht unbedingt das Gefühl wirklich in südliche
und damit wärmere Richtung gefahren zu sein. Es war einfach
rattenkalt… Aber zumindest zeigte sich das Mittelmeer von
seiner bewegten Seite und auch der Wind kam sideshore von links-
ein Traum! Der Strand selber war relativ voll, da dort gerade
die italienischen Wave-Meisterschaften ausgetragen werden sollte.
Wer allerdings erwartet hatte, das es eine straffe Organisation
mit striktem Zeitplan geben würde, incl. Strandsperrung wegen
des Contests… nun… der war noch nicht oft in Italien.
Vielmehr konnten wir in Erfahrung bringen, dass der Wettbewerb
so circa ungefähr eventuell wahrscheinlich gegen 12 Uhr anfangen
sollte.
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Würde es beim DWC so
eine Regatta-Organisation gebenm hätte das sofort eine riesengroße
Protestwelle und stundenlanges Gezeter zur Folge! In Italien ist
man da wesentlich entspannter und alle Teilnehmer wirkten sehr
locker. Angesichts des Verkehrs auf dem Wasser hätte der
geneigte Zuschauer wahrscheinlich aber eher auf eine Slalomregatta
als auf einen Wave-Event getippt, wobei sich die Einheimischen
von Zugereisten leicht an den Neoprenhauben und Langarmanzügen
unterscheiden ließen. Mit 5.3 hatten wir jedenfalls viel
Spaß in den Wellen, auch wenn man sie sich teilweise mit
Schwimmern, herrenlosem Material, Kitern, Surfern und was auch
sonst noch teilen musste.
Contest-technisch hätte Flo mit seinen Goiter-Versuchen beim
Rausfahren zumindest in der Kategorie „Best Crash“
weit vorne gelegen, während Chris beim Wellenabreiten spontan
auf sein Segel verzichtete und so Brett und Rigg getrennt anlandeten.
Jedenfalls hatten sich die rund 350, wohlgemerkt sardischen, Kilometer
gelohnt. Aber leider war für Chia für den nächsten
Tag völlig inakzeptabler Regen und weniger Wind aus suboptimaler
Richtung angesagt, also? Also ging es in der Abenddämmerung
zurück an die Westküste, zu Daniele, unserem sardischen
Kontaktmann.
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Daniele koordiniert als Kioskbesitzer
am Strand von Putzu Idu bei Capo Mannu nicht nur die dortige Surfszene
sondern scheint auch in den umliegenden Restaurants ein besonderes
Zahlungssystem entwickelt zu haben. Jedenfalls scheiterte unser
Versuch, ihn zum Essen einzuladen kläglich und endete damit,
dass wir unsere Riesenpizzen nicht zahlten, sondern von der Wirtin
noch Geld bekamen...aber man muss ja auch nicht alles verstehen....
Eigentlich wohnt Daniele perfekt direkt an einem der besten Wellenreitspots
des Mittelmeers, aber...tja, ohne Wind keine Wellen. So blieb
uns nur, einen neuen Rekord im Cappuccino trinken aufzustellen,
denn die Wind- und Wettervorhersage für ganz Sardinien verhieß
nichts Gutes. Wer allerdings Flo schon einmal nach einer Flasche
Cola erlebt hat, kann sich eine ungefähre Vorstellung davon
machen, wie hibbelig er nach 4-5 Cappuccini ist. Um ihn also irgendwie
ruhig zu stellen und vor allem von Danieles Cafemaschine wegzubringen,
machten wir uns wieder auf in den Norden, Richtung Porto Liscia,
und zwar im inzwischen strömenden Regen, der auch für
die nächsten 48h in verschiedenen Varianten bestimmend bleiben
sollte.
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Uns blieb also nur, auf
Flautenbeschäftigungen wie Scrabble auszuweichen, mit 4-fachem
Wortwert für Wörter mit Surfbezug.....Mastmanschette
oder Vorlieksstrecker hätten also fast zwangsläufig
den Sieg gebracht. Kurz bevor der Lagerkoller eintrat, kam dann
Nachts Wind, was dazu führte, dass Flo bereits im Morgengrauen
hektisch im Neo – im immer noch strömenden Regen –
aufriggte und wir uns kurz darauf bei Temperaturen und Wasserfarben,
die eher dem Ijsselmeer zuzuordnen gewesen wären, auf dem
Wasser wieder fanden, während die Italiener am Strand original
mit Skihandschuhen und Wollmützen ihr Material aufriggten.
Leider verschwand der Wind mittags, aber damit wenigstens auch
der Regen, so dass zumindest das Touri-Programm entlang der Nordküste
nun Sinn machte. An dieser Stelle sei auch ein Ausflug nach Castelsardo
mit seinem Burgberg empfohlen, vor allem aber wegen dem kleinen
Ristorante von Mama Angela. Die fürchtete angesichts unseres
Hungers ein wenig um den Inhalt ihres Aquariums, aber mit doppelten
Nachtischportionen konnte das schlimmste verhindert werden.
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Eine Null-Diät zur
kurzfristigen Gewichtsreduzierung wäre bei den folgenden
Schwachwindtagen allerdings eher angezeigt gewesen- es war, nun
ja, schlichtweg „flautig“. Und zwar so sehr flautig,
dass sogar Flo sich aus Verzweiflung auf den Kursrenner stellte
um sich mit dem 11er Segel krampfhaft ins Gleiten zu pumpen. Und
das will schon was heißen… Das Ganze hatte den lustigen
Nebeneffekt, dass am anderen Ende der Bucht einige Surfer hektisch
aufriggten, nur um dann festzustellen das sie nicht an die von
Flo stark nach unten korrigierte Gleitschwelle heran kamen.
Kurz bevor sich Flo soweit war, sich für die komplette DWC
Saison im Kursrennen anzumelden, meldeten sowohl Wetterdienste
als auch unsere einheimischen Quellen wieder Wind- natürlich
am südlichen und damit entgegen gesetzten Ende der Insel:
In Chia. Aber die Strecke kannten wir ja bereits, und was sind
schon ein paar sardische Kilometer mehr...?
Tatsächlich kamen sowohl der angesagte Wind als auch Sonne
für die abschließenden Tage, und zwar sowohl im Süden
als auch im Norden, so dass wir uns langsam in Richtung Fährhafen
zurückarbeiten konnten, bis schließlich die letzten
Kilometer auf Sardinien vor uns lagen- und das obwohl wir inzwischen
auf Karten verzichten und die Strecken blind, bzw. im Halbschlaf
fahren konnten...schade eigentlich. Aber die verbleibenden Kilometer
bis ins warme Deutschland trösteten ein wenig, ebenso wie
die Aussicht auf den nächsten Trip, nach Sardinien oder wohin
auch immer, wenn es wieder heißt: „Wir sind dann mal
weg!“
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