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Von Tom Brendt und Yoli de Brendt
"Der extreme Levante lässt den Tourismus nur schleppend anlaufen",
so lautete die Schlagzeile einer spanischen Tageszeitung Ende Mai
dieses Jahres. Ort des Geschehens: Tarifa, der südlichste Zipfel
Europas, an dem Mittelmeer und Atlantik aufeinander treffen und
an den die meisten Windsurfer und Kiter immer wiederkehren und einige
gleich sesshaft werden.
Auch wir sind, wie in jedem Jahr, endlich wieder in Andalusien gelandet
und konnten uns gleich am ersten Tag von der Wahrhaftigkeit der
Schlagzeile überzeugen. Naiverweise, oder einfach wie gewohnt von
anderen Spots, nahmen wir an den ersten Tagen noch unsere 5er Segel
mit an den Strand, trotz großflächig fliegenden Wassers.
Sowohl am Strand von Bolonia, unserem Lieblingsspot, als auch am
weiter westlich gelegenen Canos de Meca waren selbst 3,2er und 3,7er
mit den kleinsten Waveboards noch zu groß. Eigentlich alles wie
immer, ging uns durch den Kopf. Willkommen in einer der windigsten
Städte Europas.
Die Mischung aus relativem Flachwasser und einigen sehr schönen
Wellentagen treibt uns, neben dem sehr netten Ambiente, den noch
besseren Chiringuitos (Strandbars) und unseren alten Bekannten am
neuen Planet Windsurf Center, immer wieder in die Bucht von Bolonia.
Da der mit konstant 40 Knoten herandonnernde Levante - das ist der
schräg ablandige Ostwind, welcher selten mit weniger als 7 Bft.
vom Mittelmeer in Richtung Atlantik zieht - die Wellen flach blies,
war Freestyle angesagt.
Na danke, bei fliegendem Wasser mit 69-Liter-Waveboard. Erstmal
wieder rantasten dachte ich mir bei meinen ersten Moves, während
Yoli ihr 3,2er Segel bereits in ihre ersten Spocks, Grubbies und
Loops drehte und selbst neue Switch Stance Moves trainierte. Kurz
darauf wirbelte mich der Levante dann auch in Moves, die ich eigentlich
nicht so vorgehabt hatte und bei denen ich nicht mehr wirklich wusste,
was mit mir passierte.
Also doch lieber wieder einen Gang zurückschalten und wenigstens
etwas Kontrolle über mein Equipment behalten - das war der einzig
klare Gedanke, den ich nach einigen mächtigen Abgängen noch fassen
konnte.
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Jetzt verstand ich auch, weshalb viele der angereisten Windsurfer
mehr Zeit an Land als auf dem Wasser verbrachten. Tarifa zählt wohl
zu einem der wenigen Spots auf der Welt, an denen man sich hin und
wieder ein paar Knoten weniger wünscht und nach längerer Windphase
sogar mal auf ein paar Tage Windstille.
Glücklicherweise hatte der Levante mehrmals nach einer Woche ein
Einsehen mit unseren geschundenen Knochen und stellte sich für drei
Tage ein, um dann mit noch gewaltigerer Kraft übers Wasser zu donnern.
Selbst den Bolonia-typischen und am Strand weidenden Toros (unerschütterliche
und sehr friedliche Stiere) wurde die Mischung aus fliegendem Wasser
und Sand ausnahmsweise zuviel, so ließen sich einige Tage nicht
mehr am Strand blicken und verkrochen sich ins Hinterland.
"Wenn in Tarifa und seinen Stränden nichts mehr geht, fahre nach
Canos de Meca", so sagt man in Tarifa. Canos de Meca, das Hippie
Nest ca. 40 Kilometer westlich von Tarifa, unter Touristen bekannt
für seine Strände und Höhlen, ist auch einer unserer Lieblingsspots,
trotz recht schwierigem und manchmal auch schmerzhaftem Ein- und
Ausstieg. Den Spot sollte man sich bei Ebbe anschauen, bevor man
sich aufs Wasser bewegt, um den teils recht spitzen Felsen aus dem
Weg gehen zu können.
Wir nutzen Canos jedes Jahr, um uns für den vielleicht extremsten
Spot, Pozo Izquierdo auf Gran Canaria, einzufahren. Leider wurden
wir in diesem Jahr nicht mit einem dieser sensationellen Tage, an
denen man mit dem 4,2er Segel und 2 bis 3 Meter Welle durch die
Gegend fliegt, verwöhnt.
Umso erfreulicher war es Bolonia endlich mal wieder von seiner besten
Seite zu sehen, mit netten Wellen bei schräg ablandigem Wind. An
diesen Tagen hatte es auch die gesamte Tarifa Waveszene über den
Berg hinunter in die Bucht von Bolonia geschafft, was schon für
sich sprechen sollte. Wenn es richtig windig wird rund um Tarifa
und sich etwas Welle dazugesellt, wird man Hanno von Bull Sails,
den fliegenden Zahnarzt Shenja und den Ex-Worldcupper Nacho Rocha
nicht vermissen. |
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Sie sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort und
lassen keinen Zweifel daran aufkommen, das ihnen die kleinen Tücher
am besten in der Hand liegen, sehr zur Freude des Publikums in den
diversen Strandbars, von denen man einen herrlichen Ausblick auf
Vorwärts - und Rückwärtsrollen sowie Goiters und co., während man
gemütlich seinen Cappuccino oder an seinem Fläschchen Tropical schlürft.
Die Gegend um Tarifa wird gerne auch als Costa del Viento und Costa
del Windsurf bezeichnet, also als Küste des Windes und des Windsurfens,
umso erstaunlicher das es an den meisten Spots nie wirkliches Gedränge
auf dem Wasser gibt. Bis auf Sonntags, den spanische Familien fast
grundsätzlich am Strand verbringen, kann man in aller Ruhe seine
Finne durchs Wasser treiben, tricksen und kreiseln, ohne sich großartig
Gedanken über etwaige Überholmanöver oder Vorfahrtsregeln machen
zu müssen, welche man bis zum nächsten Sonntag allerdings nicht
vergessen haben sollte.
Tarifa ist nicht mehr nur Ort des Windsurfens, rund 48 Kiteschulen
und unzählige Kite Enthusiasten haben den Besitz über zahlreiche
Strände ergriffen. Bei Levante allerdings bleiben die meisten an
Land und unternehmen ihre Exkursionen ins andalusische Hinterland,
von dem wir als Windsurfer in den ersten drei Wochen unseres Aufenthalts
nichts zu sehen bekamen.
Nur eine Handvoll Kitesurfer traut sich den Ritt mit dem Mini Kite
bei Überhack zu. Zu ihnen zählt auch der lokale Kite Hero und Top
Kiter im Worldcup Alvaro Onieva. Respekt was einige bei dem Wind
noch in die Luft zauberten, auch wenn sich andere wohl mächtig überschätzten
und nur knapp einer mittleren Katastrophe entgingen. Ab der vierten
Woche hatte der Windgott ein Einsehen mit unseren Knochen und mit
dem Leid der Kiter. Wie auf Knopfdruck wechselte der Levante auf
Poniente um 180 Grad und nahm somit auch deutlich an Stärke ab.
Zum Windsurfen würde es nicht mehr reichen, das war klar, vielleicht
noch die ein oder andere Abendthermik fürs 5,9er Segel, was sich
nach wochenlangem Halten am 3,7er anfühlte wie das Steuern einer
Zweimaster Segelyacht, an der großen Sanddüne oder in los Lances,
aber sonst hieß es ab jetzt warten und Zeit für Erkundungstouren.
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Mit dem Mountainbike auf die La Pena oder die Quellentour
zu gehen, ließen wir in diesem Jahr aus. Die Muskulatur wollte sich
nicht schnell genug von den Levante Strapazen erholen. Wer sich
allerdings gerne auf den Sattel schwingt und in die Pedale tritt,
sollte diese Touren auf keinen Fall missen, Tourpläne gibt es bei
jedem guten Fahrradverleih oder im Touristenoffice.
Andalusien, Land von Christopher Columbus, wilder Stierkämpfe, unzähliger
Höhlenlandschaften, des Sherry´s und der teils recht innovativen
Aussprache des spanischen, hat neben dem sehr regen Nachtleben in
Tarifa, auch kulturell einiges zu bieten.
Der ehemals große arabische Einfluß auf den Süden Spaniens kann
kaum verleugnet werden, arabische Architektur und auch Lebensweise
prägen noch heute einen Großteil Südandalusiens, wobei, oder vielleicht
auch weshalb, die Küstenabschnitte Spaniens fast täglich auf Flüchtlingsboote,
die es eventuell von Afrika herüber schafften, abgesucht werden
und die Insassen etwaiger Schiffe unmittelbar zurück in ihr Heimatland
geschickt werden.
Mit diesen Dingen konnten wir uns jetzt etwas mehr befassen, da
der Wind zum Windsurfen einfach nicht wiederkehren wollte und ich
denke das fast alle Kitesurfer auch hofften, das es so bleiben würde,
denn die Strände und auch der Luftraum rund um Tarifa wurde mittlerweile
überbesiedelt mit Leuchtenden Tüchern an Leinen.
Es wäre müßig gewesen, alle sich in der Luft befindlichen Kites
zu zählen, einige Versuche wurden schon nach kurzer Zeit abgebrochen.
Zum Glück kann die Küste von Tarifa mit ewig langen und breiten
Sandstränden aufwarten.
Nach fast zwei Wochen Poniente mit Wind Geschwindig-keiten um die
12 Knoten und nur noch wenige Tage bis zu unserer Weiterreise nach
Gran Canaria, kamen wir dann doch auch noch einmal für zwei Tage
zu unverhofftem Glück. Levante fürs 4,2er und den Strand von Bolonia
für uns alleine, perfekt.
Mittlerweile hatten sich unsere Körper ausreichend erholt und wir
hatten wirklich mehr als genug über das Land Andalusien erfahren
können. Wellen bekamen wir zwar keine, aber dafür unglaubliche Freestyle
Bedingungen. Yoli wäre das Grinsen aus dem Gesicht wohl nur operativ
zu entfernen gewesen. |
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Endlich hatte sie wieder Gelegenheit ihre Moves
zu perfektionieren und noch den ein oder anderen neuen Dreh zu
trainieren, was mit dem Überdruck im 3,2er Segel in den ersten
Wochen eher zur Tortur wurde.
Jetzt wurde es aber langsam Zeit für unsere Weiterreise nach Gran
Canaria, auf zum ersten Worldcup dieser Saison für die Frauen
im Freestyle. Auf der Suche nach einem geeigneten Flug nahmen
wir, wie die meisten, erstmal den Flughafen Malaga ins Visier,
als uns aber die Flüge als zu teuer erschienen, stießen wir auf
Jerez.
Was für ein Glück, denn schon die wesentlich kürzere Anreise zum
Flughafen gestaltet sich erheblich Stressfreier als entlang der
Costa del Sol Richtung Malaga und einmal am Flughafen Jerez de
la Frontera angelangt, kommt die Frage auf, weshalb man jemals
nach Malaga geflogen ist.
Der kleine aber sehr nette und gepflegte Flughafen von Jerez liegt
in malerischer Landschaft, und lässt nochmals Urlaubs Stimmung
aufkommen, obwohl man sich bei der Abreise befindet. Alles in
allem wieder einmal ein sehr gelungener Tarifa Aufenthalt, wobei
vor allem unsere Vermieter und sehr guten Freunde Stefan und Deng
von Dengs-Funsport.de einen sehr großen Anteil hatten. Immer sehr
freundlich und extrem Hilfsbereit allen ihren Gästen gegenüber
empfangen sie ihre Gäste und so auch uns. Kann man wirklich nur
allen Tarifa Reisenden empfehlen.

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