
|
Wenn Sardinien gut genug für
Jürgen Klinsmann und seine Jungs zur Vorbereitung auf die
WM ist, dann sollte es auch gut genug für das Windsurfteam
zur Vorbereitung auf die Saison im Deutschen Windsurf Cup sein,
dachten sich Christian Opitz, Denis Standhardt und Chris Hafer. Zumal der
Winter in unseren Breitengraden kein Ende zu nehmen schien, lockte
die Insel im Mittelmeer mit surfbaren Bedingungen. Allerdings
gestaltete sich zunächst das Beladen der Fahrzeuge angesichts
der Materialberge als nicht ganz leicht zu lösende Aufgabe.
Speziell Christian und Denis könnten eigtentlich bei Gottschalk
angemeldet werden, nach dem Motto: "Wetten, dass wir es schaffen,
13 Boards und doppelt soviele Riggs in einen Renault Traffic zu
packen?"
Gut, dass bei den Grenzkontrollen niemand auf die
Idee kam, unvorsichtigerweise die Türen zu öffnen, es
hätte Lawinengefahr bestanden. Das Gute an dem vollgepackten
Fahrzeugen war, dass keine Skisachen mehr Platz fanden, sonst
hätte Denis sicherlich auf mehreren Zwischenstopps entlang
der Route bestanden. So hatten die beiden nur mit den Tücken
der Technik an den italienischen Mautstationen zu kämpfen,
schafften es aber nach mehreren Anläufen doch bis ans Mittelmeer.
Für alle Anhänger kreativer Streckenführung sei
ab Mailand die A7 Richtung Genua empfohlen, die Route durch den
Apenin stellte die ein oder andere Herausforderung an die Suche
nach der Ideallinie durch die Kurven, gespickt mit zusätzlichen
Schwierigkeiten wie nur geringfügig beschilderten Baustellen.
Erster Stopp auf dem Weg zur Fähre war Pisa, wo uns bereits
frühlingshaftes Wetter begrüßte. Auch der Turm
war noch nicht umgefallen, und so ging es das letzte Stück
zur Einschiffung nach Livorno. Die Fährüberfahrt verlief
- abgesehen von einigen singenden Italienern - relativ ruhig,
und genauso ruhig begann auch der erste Tag auf der Insel, auch
wenn man sich zunächst an die Fahrweise auf der Insel gewöhnen
musste und Erfahrung auf sardischen Straßen sowie italienische
Auslegung der Verkehrsregelung klare Vorteile brachten. |
|

Da vor unserer Abfahrt in erschreckend
übereinstimmender Weise die Online Wetter- und Winddienste
ruhiges frühlingshaftes Wetter mit Windmeldungen im einstelligen
Knotenbereich gemeldet hatten, war die Hoffnung zunächst
nicht sehr groß, sofort aufs Wasser zu gehen. Allerdings
auch nicht unbedingt schlimm, da gemäß dem "just
in time" Prinzip die Racesegel von Christian und mir von
ziemlich gehetzt wirkenden UPS Boten unmittelbar vor unserer
Abfahrt angeliefert wurden. So blieb also Zeit das Material
vorzubereiten. Als man sich grade auf einen entspannten sonnigen
Nachmittag einstellen wollte, zeigten sich - entgegen allen Vorhersagen -
Schaumkronen in der Bucht von Porto Pollo. Im Westteil der Bucht,
Porto Liscia eingetroffen, war 7.4 und Slalomboard schon eine
relativ sportliche Angelegenheit. Als der Wind gegen Abend dann
etwas abnahm, konnten wir noch einmal das Kursrenn-Material zu
Wasser lassen, bis sowohl Dunkelheit als auch Müdigkeit
uns zum Esssen trieben.
Der nächte Tag begann - gemäß den Vorhersagen
- windstill. Also blieb die Hoffnung auf ein wenig Thermik am
Nachmittag, um zumindest mit den großen Segeln aufs Wasser
zu kommen. Da aber in Italien, und insbesondere Sardinien, sich
niemand so Recht an Regeln und Vorschriften hält, und damit
auch der Wind nicht unbedingt an Vorhersagen, waren wir gegen
Mittag mit dem Freestyleboard und 4.7er Segel ziemlich gut beschäftigt.
Zudem legte der Westwind eine Nachtschicht ein, so dass wir
uns am nächsten Morgen auf den Weg an Sardiniens Nordküste
machten, wo der erste Blick aufs Wasser nicht so recht in die
Vorstellung vom beschaulichen Mittelmeer passte.
Die Wavespots
liegen wie an einer Perlenkette aufgereiht entlang der Strecke,
und so konnte man sich von der jeweiligen Bespielbarkeit des
Platzes relativ schnell überzeugen. Da Rena Maiore zu auflandig
war und Vignola einen Shorebreak der sich locker mit der Sylter
Konkurrenz messen konnte aufwies, setzten wir auf die Geländefähigkeit
unserer Fahrzeuge und nahmen die Stichstrasse nach Marina delle
Rose.
Dort hatten sich einige "Sehleute" versammelt,
um von der Steilküste auf das Geschehen in der Bucht hinabzublicken,
die Ähnlichkeit mit einem Abenteuerspielplatz hatte. Aufgrund
der Bedingungen konnte man nicht unbedingt von Gedränge
auf dem Wasser reden, und so erkundeten Denis und Chris die
Bucht und auch den in Lee liegenden Shorebreak nebst einsamen
Strand, gelangten nach einigen Schwimmeinlagen aber dann doch
wieder an den Ausgangspunkt zurück.
|
 |
|

|
Auf dem Rückweg wurde noch
ein Zwischenstopp in Porto Liscia eingelegt, wo das 4.2er mehr
als groß genug war, und Denis mal die Flugfähigkeit
seines Materials auch ohne ihn ausgiebig und mit erstaunlichen
Resultaten testete. Christian verletzte sich an der Schulter,
vermutlich um in den Genuß der Untersuchung durch eine
vor Ort niedergelassene surfende deutsche Ärztin zu kommen,
oder auf diesem Wege an rezeptpflichtige Mittel zu gelangen,
jedenfalls machte er in der Folgezeit einen sehr entspannten
Eindruck...
Nach dem Motto 'täglich grüßt das Murmeltier' wirkte der nächste Tag wie eine Wiederholung des vorigen,
windig und sonnig. In Marina delle Rose angekommen waren die
Bedingungen allerdings von selektiv auf relativ entspannt zurück,
und da auch Christian wieder einsatzfähig war, waren wir
zu dritt auf dem Wasser und hatten Spaß. Auf dem Rückweg
lohnte sich der Abstecher an die Nordpitze Sardiniens, Capo
Testa, mit seinen wilden Felsformationen und dem Blick auf Korsika.
Langsam hatten wir auch den Glauben an die meterologischen Fähigkeiten
der Wetterdienste verloren, was aber nicht weiter schlimm ist,
wenn man stets positiv überrascht wird. Um es vorwegzunehmen,
es sollte bis zum Ende des Trips so bleiben, dass stets deutlich
mehr Wind als vorhergesagt war.
Unsere Empfehlung daher, anstelle
von altüberlieferten Windtänzen oder -opfern, einfach
den Wagen voll mit Leichtwindmaterial laden und die Priorität
klar auf Kursrennen legen, wirkt bestimmt!
|
|

Allerdings kamen wir zeitweise
doch noch dazu, unser Racematerial abzustimmen, meist spät
abends oder früh morgens, oder zumindest solange bis
man froh war, doch handlichere Segel nehmen zu können.
Per GPS gemessen konnte man am Ende des Tages auf Topspeeds
um 56km/h und einige Kilometer an Trainingseinheiten blicken,
viel wichtiger aber die Erkenntnisse beim Testen der Finnen
und der Einstellung des Materials, und da hatten wir ja einiges
dabei zum Testen. Wenn der Wind statt aus der üblichen
westlichen Richtung kam, sondern lediglich leichter Wind aus
Ost in Porto Pollo ankam, lohnte sich ein Locationwechsel;
nach 60km Fahrt zeigten sich südostlich am Traumstrand
von La Cinta bei S.Theodor bereits wieder Schaumkronen, und
die Isola di Tavolara mit ihren Wolken erinnerte stark an
den Tafelberg in Kapstadt als Kulisse.
Alternative bei Westwind bleibt die Fahrt quer über
die Insel, vorbei an durchaus sehenswerten Brunnentempeln
und rätselhaften Nuraghen, an die Westküste, an
die Wavespots rund ums Capo Manu. Chris machte sich auf den
Weg, und während Christian und Denis in Porto Pollo mit
Slalom- und Freestylematerial auf glattem Wasser fuhren, kamen
pünktlich zur Abendsession die ein oder andere nette
Welle aufs Riff vor Funtana Mega gerollt, gepaart mit Sideoffshore
Wind von rechts und grandioser Kulisse vor den punisch-römischen
Ruinen von Tharros. Wenn da nicht immer dieser starke Verkehr
auf Sardinien wäre...
Aber lokalen Gegebenheiten muss man sich anpassen, und immerhin
ist der Wagen nach der Durchfahrt einer sardischen Waschanlage,
sprich einer Schafsherde, relativ sauber, zumindest soweit
die Schafe kamen. Angesichts der durchweg eher rustikalen
Stichstraßen zu den Spots eine eigentlich ganz praktische
Angelegenheit.
Erst am letzten Tag schwächelte der Wind etwas, was
angesichts der Aufgabe, die Materialberge wieder in den Fahrzeugen
zu verstauen vielleicht auch nicht das schlechteste war. Und
den Weg zur Fähre kann man entlang der Küste quasi
beliebig ausdehnen, "Beach-Hopping", jede Stunde
ein anderer Traumstrand... bis nur noch blieb, etwas wehmütig
einen letzten Cappucino im Hafen zu trinken und sich von der
Insel zu verabschieden, bis zum nächsten Mal jedenfalls.
4000 km, 13 Boards, 30 Segel, 12 Tage Wind, 13 Tage Sonne,
ungezählte Strände - so die nüchterne Statistik
einer ziemlich perfekten Tour nach Sardinien. Dahinter steckt
jedoch bereits die Vorfreude auf die nächste Tour, in
der Gewissheit, dass noch soviel zu entdecken bleibt...
|

|
|
|
|