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Nach einem langen Winter hatte im
April auch endlich auf Hawaii das Sommerhalbjahr mit Trade Winds
und den ersten Swells an Oahu’s South Shore begonnen. Im
Januar waren wir noch überraschend mit zwei windigen Wochen
und teilweise masthohen Tagen gesegnet, aber dann setzte im Februar
und März eine lange windlose und vor allem regenreiche (!)
Zeit ein. Jeden Tag kübelte es Wasser wie aus Eimern vom
Himmel und ging schließlich soweit, dass wir im März
die Sonne für fast drei Wochen nicht mehr zu Gesicht bekamen
- für hiesige Verhältnisse unvorstellbar. Sieht man
sonst immer ein Lächeln in den Gesichtern der gut gelaunten
Locals, zeigten auf einmal auch hier die Mundwinkel steil nach
unten. Die Stimmung erinnerte mich ein wenig an die depressiven
Wintermonate in good old Germany. Ironischerweise strahlte die
Sonne pünktlich zum 1. April wieder wie gewohnt vom Himmel
und das Trübsal der letzten Wochen war schnell vergessen.
Der April machte seinem Ruf als Geheimtipp für Wind und Wellen
alle Ehre und so hatten wir in wenigen Wochen Muskulatur und Hornhautschwielen
wieder in Sommerform gebracht.
Aber wenn es nicht gerade wochenlang in Strömen regnet, hat
Oahu auch in den Wintermonaten viele Windsurf-Alternativen in
der pazifischen Badewanne zu bieten. Ganz oben auf der Liste steht
natürlich das Surfen ohne Segel am legendären North
Shore. Nicht umsonst pilgern Wellenreiter aus aller Welt um diese
Jahreszeit an die North Shore Breaks und ich werde nie meinen
ersten Contest - als Zuschauer – am Banzai Pipeline Beach
vergessen. Sogar fast jeder Nichtsurfer hat vermutlich schon mal
Bilder in den Medien gesehen, wenn gerade ein Surfer aus einer
Pipeline-Tube herausgeschossen kommt. Das faszinierende ist, dass
diese Welle so nahe am Ufer bricht, dass man den Spot schon fast
als Beach Break bezeichnen kann. Deshalb kann man vielleicht nirgendwo
sonst so nah dabei sein, wenn Kelly Slater & Co entweder die
spektakulärsten Moves oder auch die fettesten Abgänge
zelebrieren. |
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Einmal live dabei zu sein, wenn
der ganze Strand nach einem gelungenen Monster Tuberide tobt,
ist ganz sicher ein bleibendes Gänsehaut-Erlebnis. Für
den normalsterblichen Surfer ist der North Shore allerdings
auch mit Vorsicht zu genießen, da die Kraft der Wellen
an manchen Spots so groß ist, dass sie einem das Rückgrat
brechen können – was auch immer wieder vorkommt.
Ich habe selber bisher zum Glück nur “moderate”
Waschgänge mitgemacht, aber man merkt sofort, dass man
am North Shore locker doppelt solange unter Wasser gehalten
wird im Vergleich zu einem Waschgang am South Shore. Ab April
kehrt dann langsam Ruhe ein, der North Shore fällt wie
jedes Jahr in seinen “Sommerschlaf” und bleibt ein
Paradies fuer Schnorchler, bis im September der Zyklus von Neuem
beginnt und die Breaks von den ersten Winterswells wachgeküsst
werden.
Aber wie ich diesen Winter selber erleben durfte, hat der Pazifik
auch Adrenalinrausch (manchmal leider gepaart mit Seekrankheit)
jenseits der Surferei zu bieten. An einem Samstag nachmittag
klingelt mein Handy, einer meiner Windsurf-Buddies, Francis
ist am anderen Ende der Leitung.
Francis ist Mitte dreissig, und wenn er nicht gerade als Chiropraktiker
aus den Fugen geratene Gelenke wieder in die richtige Position
bringt, ist er irgendwo in den Wellen östlich vom Diamond
Head unterwegs. Obwohl eher in der Gewichtsklasse von Robby
Seeger angesiedelt, gehört es zu seinen Stärken gerade
bei leichten Winden extrem vertikale Cutbacks in den Wellenhang
zu zaubern. Bei diesem Anruf geht es aber ausnahmsweise nicht
ums Windsurfen. Ob ich Lust habe tags darauf mit ihm Fischen
zu gehen. Fischen meint hier allerdings nicht im Liegestuhl
am Ufer zu sitzen und zu angeln, sondern mit einem Boot jenseits
der 7 Meilenzone aufs Meer hinauszufahren und sprichwörtlich
auf hoher See zu fischen.
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Ohne eine Sekunde zu zoegern sage
ich sofort zu, und bereue es gleich im nächsten Moment
als es heißt “Okay, wir treffen uns morgen früh
um 5 Uhr bei mir vor der Tür”. Am nächsten Morgen
bin ich zu besager Tageszeit am vereinbarten Platz und treffe
auf einen leicht verkaterten Francis – ich kann mir ein
leichtes Grinsen nicht verkneifen :) Francis ist Besitzer einer
25 Fuss langen Doppelrumpf-Motoryacht mit zwei kräftigen
Aussenbordmotoren, die jederzeit einsatzbereit auf einem Trailer
bei ihm im Garten steht. Auf dem Weg zur zwei Meilen entfernten
Ablegestelle, machen wir erst noch einen kleinen Abstecher zur
Tankstelle, allerdings nicht für seinen Pickup-Truck sondern
für das schwimmende Gefährt.
Als ich auf die Anzeige an der Tanksäule schaue, traue
ich meinen Augen nicht, 120 Gallonen, das sind über 450
Liter (!) Sprit. Francis sieht meinen ungläubigen Blick
und zeigt grinsend auf die beiden Aussenborder: “These
guys suck a lot of gas”. Auf jedem der Aussenborder ist
ein Schriftzug platziert, der 120 PS anzeigt, kein Wunder, dass
die ordentlich was schlucken.
Wenige Minuten später lassen wir das Boot vom Trailer rückwärts
ins Wasser gleiten, ich halte das Boot am Steg in Position,
während Francis Truck und Anhänger auf dem nebenliegenden
Parkplatz abstellt. Schließlich tuckern wir um halb sechs
in der Morgendämmerung mit den ersten Sonnenstrahlen durch
die Maunalua Bay gen offene See, rechterhand liegt der Diamond
Head in der Ferne und links ragt steil der Koko Head Crater
empor. Auf einen Schlag bereue ich es, nicht mehr mitten in
der Nacht aufgestanden zu sein, und ich kann schon jetzt nachvollziehen
warum Francis sich diese Prozedur häufiger antut - auch
das Meer strahlt um diese Tageszeit noch eine unglaubliche Ruhe
und Frieden aus. Francis wirft sich eine Dramamine-Tablette
gegen Seekrankheit ein, und überzeugt mich (Gott sei Dank!)
davon selbiges auch zu tun. Solange wir noch in der geschützten
Bucht sind, machen wir die Leinen an den Angeln, sowie deren
Ausleger klar.
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Francis gibt mir ausserdem einen
kurzen Crashkurs an den elektronischen Anzeigetafeln im Führerstand
was ich zu tun habe, falls er über Bord geht oder ich aus
einem anderen Grund an die Pinne muss – nachdem wir beim
fünften Steuermodul angelangt sind schalte ich ab und bete
im Stillen, dass ich mich nicht im Laufe des Tages an all das
erinnern muss. Wir nähern uns dem Ausgang der Bucht als
mir mein Kapitän einen Wink gibt in den Fuehrerstand zu
kommen. Ein letztes Mal vergewissern wir uns, dass alles niet-
und nagelfest ist, dann legt Francis den Hebel um und wir fliegen
im wahrsten Sinne des Wortes in Richtung offenes Meer. Unser
Ziel sind die fischreichen Outer Banks etwa 15 Meilen offshore
zwischen Oahu und der Nachbarinsel Molokai. Als nach etwa 20
Minuten mitunter ruppiger Fahrt die Tiefenanzeige schlagartig
auf knapp 100 Fuss springt, wissen wir, dass wir da sind –
auch das GPS bestäigt unsere Position. Wir werfen die vorbereiteten
Leinen samt Koeder aus – zu meiner Überraschung nur
kleine Plasiktintenfische - und cruisen langsam im Zick-Zack
Kurs das Gebiet ab. Francis hat mit zuvor den Ablauf erklärt:
Sobald die Leine in einem Affenzahn von der Spule rast ist klar,
dass wir etwas am Haken haben. Dann heisst es im Prinzip nur
die Leine stramm halten, damit sich der Haken nicht aus dem
Maul des Fisches lösen kann und immer wenn die Spannung
nachlässt, versuchen die Leine einzuholen. Irgendwann sollte
der Fisch dann beim Boot auftauchen, so dass man ihn mit dem
Enterhaken einholen kann.
Als sich nach 45 Minuten immer noch nichts getan hat, werde
ich einerseits etwas ungeduldig, aber vor allem bin ich froh,
auch eine Dramamine eingeschmissen zu haben, denn soweit das
Auge reicht sieht man nur einen bewegten Horizont – glücklicherweise
wird mir nicht wirklich schlecht, aber ich merke deutlich, dass
meine Magengegend am Arbeiten ist.
Dann auf einmal wie aus dem Nichts fängt eine der Spulen
an zu rasen, ich bin im ersten Moment wie elektrisiert waehrend
Francis mir zuruft die Spule zu arretieren und Spannung auf
der Leine zu halten.
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Nach weiteren schweisstreibenden 10 Minuten habe ich den ersten
Mahi Mahi in meinen Leben gefangen – ich bin stoked. Der
Fisch schillert in leuchtend grün-blauen Farben, ist einen
guten halben Meter lang und wiegt etwa 15-20 Pfund. Francis
grinst im angesicht meiner Erschöpfung und meint “good
job”. Eine knappe halbe Stunde später zieht Francis
ein ähnliches Exemplar an Bord. Es ist auch sein erster
Fang für dieses Jahr und da es eine ungeschriebene Regel
ist beim ersten Fischfang des Jahres bescheiden zu bleiben,
machen wir uns schon kurze Zeit später auf den Heimweg.
Währenddessen sehe ich noch einen Schwarm fliegender Fische
direkt neben unserem Boot vorbeifliegen (die sind verdammt gross!),
sowie in wenigen hundert Metern Entfernung eine Pottwal-Mutter
mit ihrem Kalb synchron durch die Luft springen – lauter
bewegende Eindrücke. So sitzen wir bereits um die Mittagszeit
mit einem Corona wieder bei Francis im Garten. Frische Mahi
Mahi Filets brutzeln auf dem Grill und zusammen mit dem Rest
seiner Familie verspeisen wir genuesslich einen kompletten Fisch
– sogar Moka, der braune Labrador und Waechter des Hauses,
bekommt ein Gourmet-Stück ab.
Inzwischen ist es Sommer und wie jedes Jahr trudelt die europäische
Delegation, vorwiegend Deutsche und Italiener, am Diamod Head
ein. Nach dem dramatischen Ausscheiden der deutschen Elf im
WM-Halbfinale gab es dementsprechend natürlich zwei Fraktionen
auf dem Wasser, die eine mit einem fettem Grinsen im Gesicht
und die andere konnte erst nach ein paar guten Wellen wieder
lächeln…Nun sind wir alle gespannt, was uns der Sommer
noch an Wind und Wellen nach Oahu schickt!
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