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Ein paar windlose
Wochen liegen bereits hinter mir, der Freestyle Worldcup
auf Sylt wurde für uns Frauen abgesagt und es verbleiben noch
einige Wochen, bevor ich wieder auf meine Heimatinsel
mit meinem Homespot El Yaque zurückkehren werde.
Mir kommt
es vor als sei ich bereits süchtig nach dem Studieren der Wettervorhersage. Wo und wann könnte Wind auftauchen? Das Internet sollte es wissen und tatsächlich erscheint plötzlich
die Vorhersage mit einem dicken Tiefdruckgebiet über der
holländischen Küste.
Mein Mann Tom, der jahrelang zum Windsurfen an
die niederländische Küste fuhr, erklärte
mir, wie die Wetterkarte aussehen muss, um einen guten Tag in Holland zu erwischen.
Jetzt schien alles genauso wie er es erklärte
und so zögerten wir auch keine Sekunde unsere Boardbags
aufs Autodach zu wuchten und direkt in Richtung Westkapelle aufzubrechen.
Ein guter Bekannter stellt uns dort seinen Wohn-Caravan zur Verfügung. Da es mein erster Trip an die holländische Küste - und damit das
erste Mal Nordsee - werden sollte, entschied ich mich alles
in einem kleinen Tagebuch festzuhalten.
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Tag 1: Unsere
Fahrt durch Belgien und anschliessend Holland, aus Aachen
startend, sollte nicht allzulange dauern, aber sie gab mir
genug Zeit die Unterschiede der Länder zu sehen und
zu erkennen, und auch um darüber nachzudenken, was mich
an der Nordseeküste erwarten würde. Ich hoffte auf
traumhafte Windbedingungen und einige nette Freestyle Spots,
während Tom ausschließlich über Wellen redete.
Als ich die Grenze von Belgien nach Holland überfuhr,
war ich ziemlich überrascht und auch etwas beeindruckt,
alles erschien mir sehr sauber, organisiert und frei. So fühlte
ich mich auch gleich und vergaß das graue Belgien und
die ebenfalls grauen Tage in Deutschland. Auch die Architektur
wirkte auf mich extrem beeindruckend und zählte seit
diesem Augenblick zu einer meiner favorisierten in Europa.
Aber das war alles noch gar nichts im Vergleich zu meinem
ersten Blick auf die sandigen Dünen entlang der Küste.
So etwas hatte ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen,
gepaart mit dieser eindrucksvollen Landschaft. Und zudem war
es... windig!!
Aber zuerst mussten wir in unserem ziemlich luxoriösen
Caravan einchecken. Auch diesen Luxus hätte ich niemals
erwartet. Bei der Planung unseres Trips hatte ich mir unter
'Camping Platz' etwas völlig anderes vorgestellt.
Genug davon, Zeit für unsere erste Spotsuche, denn diesen
südlichen Teil der holländischen Küste hatte auch Tom zuvor
noch nicht aufgesucht. Die ersten Strände, die wir in Zoutelande ansteuerten,
waren geprägt von sehr starker Strömung und riesigen
vorbeifahrenden Schiffen, weniger als 200 Meter vom Strand
entfernt, keine Chance auf eine entspannte Windsurfsession.
Auf unserem Weg Richtung Norden fanden wir aber bald den ersten
Spot, zwischen Westkapelle und Domburg, einige Segel flogen
hier bereits übers Wasser, aber leider war der Sonnenuntergang
bereits sehr fortgeschritten und ließ uns keine andere
Wahl als daran als Zuschauer teilzuhaben.
Wenigstens wollte ich von den Locals noch ein paar Infos über
den Spot bekommen und war sehr überrascht als diese mich
erkannten und scheinbar alles über mich wussten. Es schien
der Tag der tausend unerwarteten Dinge zu sein. Ich mochte
es, so viele neue Eindrücke bereits am ersten Tag, wow!
Bettzeit, aber nicht bevor ich auch noch einen Teil der holländischen
Essenskultur kennen gelernt hätte, eine große Portion
Frietjes und eine Frikandel Speciaal. Oder war es doch eher
eine deutsche Spezialität musste ich mich fragen, als
ich mich nur von Deutschen umringt sah.
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Tag 2:
Holland wurde mir immer ausschließlich mit viel Regen,
kalt, grau und windig beschrieben und genau das war es, was
uns am Morgen des zweiten Tages erwartete - außer dem
Wind. Glücklicherweise änderte sich das Wetter bis
zum Mittag vollständig und so konnten wir nach einem
sehr ausgiebigen Frühstück aufbrechen, um unsere
Suche nach Spots fortzusetzen.
Der Spot,
den wir erst am vergangenen Abend ausgemacht hatten, funktionierte heute
leider nicht mehr. Aber immerhin trafen wir dort wieder
einen der extrem freundlichen Locals, der uns aufgrund der
sehr südlichen Windrichtung zum Veersemeer zu einer Freestyle
Session schickte.
Wir folgten seinem Rat und ich betrat oder besser 'besurfte' zum ersten Mal holländische Gewässer. Nach einer
zu langen windlosen Zeit war ich super froh mit meinem 5,0
Segel und dem 99 Liter Freestyler endlich wieder übers
Wasser kreiseln zu dürfen. Es war eigentlich genau das
was ich erhofft hatte. Perfektes Flachwasser und guter Wind,
Freestyle!!! Zudem wurde ein weiterer meiner Träume
war, Windsurfen direkt vor Windmühlen. Diese historischen, überdimensionalen Windräder kannte ich vorher nur
aus dem Fernsehen.
Am späten Nachmittag wurde der Wind dann leider zu unkonstant
und schwächelte, so dass wir unseren Stuff packten, um den
Heimweg nach Westkapelle zu einer dicken Portion Pasta anzutreten.
Aber nicht ohne uns vorher ein paar weitere Spots angesehen
zu haben: Nahe Domburg fanden wir einen Strand, an dem
es zwar nicht allzu windig schien, aber an wo recht nette
Wellen liefen. Unglücklicherweise ist Toms Surfboard
auf dem letzten Trip zerbrochen und er hat seitdem noch kein
passendes neues gefunden.
Nach der riesen Pasta und immer noch mit
der Freestyle Session des Tages im Kopf, war ich mehr als
bereit für einen sehr langen Schlaf.
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Tag 3:
Der Morgen des dritten Tages weckte mich mit grellem Sonnenschein.
Keine einzige Wolke am Himmel und die Bäume bogen sich
im Wind. Würde unser Spot in Westkapelle heute funktionieren?
Leider nicht... und auch die Spots um Domburg und unser Freestyle
Spot vom Vortag, das Veersemeer, wollten nicht so recht belüftet
werden. Der Wind hatte über Nacht einfach zu südlich
gedreht und so folgten wir der Straße nordwärts Richtung
Brouwersdam, an dem Tom schon einige großartige Tage erlebte,
wie er mir erzählte.
Unser erster Stopp vor der Ankunft
am Brouwersdam, Renesse. Ein sehr nettes Örtchen, mit all
den Bars und Cafes, obwohl ich hörte, dass dieser beschauliche
Ort in der Hochsaison zur Party-Hochburg mutiert und mächtig
überlaufen ist.
Wir stoppten am Windsurfing Renesse Shop, um dem Besitzer, Arjen
de Vries einen Besuch abzustatten. Tom und Arjen hatten ein
paar sehr nette Tage zusammen auf der Nordsee, damals...
Ein sehr netter Typ, mit all seinen Erfahrungen, Stories und
noch mehr Tipps zu funktionierenden Windsurfspots bei dieser
Windrichtung. Wir folgten seinem ersten Tipp und brachen auf
zum Leuchtturm in Ouddorp. Nach dem langen, langen Weg durch
die Dünen, konnte ich die ersten kleinen Wellen erspähen,
die über die vorgelagerten Sandbänke brachen, aber
leider kam der Wind auch hier nicht so wirklich in Fahrt. So kehrten wir zum Brouwersdam zurück, um in den Dünen zu
relaxen und die 29 Grad Lufttemperatur zu geniessen. Absolut
ungewöhnlich für einen September Tag in Holland - hörte
ich aus zahlreichen Mündern - und das es bei diesem Wetter
unmöglich Wind geben würde...
Was für eine Schande, ging mir durch den Kopf, als mir plötzlich eine
Böe durchs Haar fuhr. Der Wind kam doch und auch Arjen tauchte
am Strand zu einer sehr netten gemeinsamen Freestyle Session
mit dem 5,0er auf.
Der ablandige Wind formierte eine perfekte
Plattform fürs Freestylen und da er stärker
als am Vortag bliess, genoss auch Tom diese Bedingungen bis in
die Dämmerung, während Arjen sich entschloss doch
lieber ein paar Fotos von dem Treiben zu schießen, bevor
es zu einer weiteren Portion Frietjes an der Strandbar kam.
Normalerweise gehören diese Pommes nicht in meinen Ernährungsplan,
aber immerhin waren wir in Holland - in Italien essen wir
schließlich auch den ganzen Tag Pasta.
Drei neue Spots
gesehen, an einem davon für einige Stunden auf dem Wasser gewesen,
so machten wir uns wieder einmal auf den Heimweg. Pünktlich genug, um noch den Sonnenuntergang am Leuchtturm von Westkapelle genießen
zu können.
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Tag 4:
Nur noch
ein Tag bis zur Abreise. Wir entschieden uns sehr früh
aufzustehen, um genügend Zeit für ein paar Fotos und die Suche nach weiteren Spots zu haben. In den vergangenen
Tagen hörten wir immer wieder, dass die niederländische
Küste eigentlich bei allen Windrichtungen funktioniert,
außer bei Ostwind und genau aus dieser Richtung wehte
es an unserem vierten Tag. Ost-Südost, wohin sollten wir
aufbrechen?
Keine Locals weit und breit die wir um Rat fragen könnten,
aber wir erinnerten uns, dass man uns vor Tagen für Ostwind
einen Spot bei Vrouwenpolder empfohlen hatte, direkt vor der Oosterschelde,
war das nicht dieser kilometerlange Damm mit den unglaublichen
Strömungen... und somit mehr als gefährlich? Man versicherte
uns das es ungefährlich sei, dort zu surfen.
Wir konnten
es nicht selber herausfinden, denn es herrschte Windstille bei
der Ankunft an den monströsen Toren, die die Nordsee von der Oosterschelde abteilen. Genauso wie an den Spots zwischen Westkapelle
und Veersemeer, die wir bereits täglich obligatorisch besuchten.
Vielleicht wüsste Arjen in Renesse Rat...
Keine große Überraschung, er hatte einige Tipps auf
Lager. Wir checkten die Spots am Grevelingermeer und tatsächlich
war der Wind hier etwas stärker, leider aber nicht ausreichend.
Mein Entdeckungsdurst nach weiteren Spots liess nicht
nach, aber es lief uns die Zeit davon. Immerhin reichte es noch für die Besichtigung
einiger Spots in Richtung Rotterdam, aber immer noch ohne Wind.
Das ließ mir keine Ruhe, vielleicht war der Wind ja weiter
südlich zurückgekehrt.
Als wir wieder am Veersemeer
ankamen, hatte der Wind tatsächlich wieder etwas gedreht
und zugenommen, ideal fürs Freestyle Material
am Spot Schotsman für eine Trainings Session, gefolgt von
einem Fotoshoot für eine große deutsche Tageszeitung,
welcher noch zu erledigen war. Muchas Gracias.
Die auffrischende Brise rette uns diesen Tag. Aber auch ohne Wind hätte
ich diese Reise mit allen Eindrücken über Land, Leute,
Kultur, Spots und nicht zu vergessen... den Windmühlen,
welche in meiner Heimat Venzuela gemeinsam mit den Holzschuhen
als typisches Merkmal für die Niederlande gelten, sehr
genossen.
Tag 5: Nachdem
wir bereits aufgrund einiger Gerüchte über einen Hurricane,
der die komplette europäische Küste erreichen würde,
unsere Reise um einen Tag verlängerten, war heute leider
der absolut letzte Tag. Der Hurricane sollte Wind und große
Wellen bringen, leider kam es nicht so und etwas traurig packten
wir unsere Sachen und verließen die Küste wieder
Richtung Deutschland, in Begleitung von starker Bewölkung
und Regen, genau dem Wetter also, welches mich in den nächsten beiden
Wochen in Deutschland weiter begleiten sollte.
Zurück in Deutschland, während ich mein kleines
Tagebuch in Händen halte, kann ich nicht aufhören,
über diesen Trip und all die Eindrücke nachzudenken.
Ich werde sicher bald zurück sein. Zurück zu den
Windmühlen, den langen Stränden, den Dünen
und zu all den super netten Leuten, die wir getroffen hatten.
Jetzt verstehe ich, weshalb unsere holländischen Worldcup
Freunde Anne Marie Reichman, Femke van der Falk und Remko
de Weerd ständig von ihren tollen Küsten schwärmen!
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