Erstens
kommt es anders, und zweitens als man denkt - aber Hauptsache
die Richtung stimmt!
So oder so ähnlich könnte man wohl unseren Trip nach
Fuerteventura zusammenfassen… Nach einem halben Jahr der
Reiseabstinenz ging es für mich endlich wieder in die große
weite Welt hinaus, und zwar wieder einmal auf meine Lieblingsinsel,
Fuerteventura, die ich mittlerweile sicher 15 mal in meinem Leben
besucht habe. Mit dabei war eine bunt gemischte „Gurkentruppe“
alter Freunde vom Dümmer See (Ralf alias Kamikaze, Björn
und Sören) und zwei der nettesten Surfer aus Kiel- Olaf (m)
und Dominique (w). Viel unterschiedlichere Menschen können
sich wohl kaum in einem Urlaub treffen…
Die Mission für diesen Urlaub war eigentlich ganz klar: 9
Tage am Ende der Passatzeit nach Fuerte, das musste 9 Tage Goiter-Wetter
und Ballermann für die 4er Segel bedeuten. Alles andere wäre
eine Enttäuschung. Dementsprechend hoch waren auch unsere
jeweiligen Ziele für diesen Trip gesteckt. Björn, 22jähriger
Wahl-Rostocker, und Olaf, 29 Jahre alter Jung-Jurist, hätten
beide den Spock erlernen sollen, während für Dominique
(25) alles außer „normalen“ Sprüngen auf
dem Programm gestanden hätte, also so etwas wie Table Tops
und die Air Jibe-Anfänge… Kami, 38 und einer der Ur-Surfer
vom Dümmer See, wollte endlich doch mal den Spinloop versuchen
und… ach ja, das Rauchen aufgeben. Sören, 25 und fürchterlich
langsam (und das nicht nur beim Surfen :o) ) sollte endlich mal
die erste Airjibe stehen und Kamikaze bei seinen Loopversuchen
begleiten.
Und ich selber (27)… die doofe Flaka und der Ponch beim
Rausfahren waren genau so geplant wie der erste gestandene Switch
Stance Move. |
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Und wenn alles so geklappt
hätte wie geplant, würde es in dieser Story um die jeweiligen
Angstüberwindungstaktiken gehen und um die verschiedenen
Herangehensweisen zum Erlernen neuer Moves… Aber erstens
kommt es anders… und zweitens als man denkt… Aber
solange die Windrichtung stimmt… ist ja alles gut.
Der Spot unserer Wahl, Sotavento im Süden Fuerteventuras,
hat bekanntermaßen die Eigenschaft, die nördlichen
und nordöstlichen Winde hammerartig zu verstärken und
im Sommer durch den Düseneffekt regelmäßig mit
Turbodruck für die Belüftung kleiner Segel zu sorgen.
Die Side-Offshore-Bedingungen sind zum Freestylen und zum Tricksen
in kleinen Wellen normalerweise wirklich unglaublich- man könnte
meinen, ein Traum…
Nachdem Air Berlin problemlos das gesamte Surfmaterial mitgenommen
hat, schien am Anreisetag die Welt noch in Ordnung zu sein. In
der ersten Nacht hätte man locker die 4,7er Segel fahren
können, so dass wir alle aus Vorfreude nur wenig Schlaf finden
konnten. Doch am Morgen empfing uns absolute Windstille. Aber:
Die Windrichtung stimmte! Und das ist in Sotavento eigentlich
die Hauptsache. Die Fahnen zeigten schon die richtige Passatrichtung
an, so dass wir den Optimismus behielten. Bei der ersten etwas
stärkeren Böe (der klassischen Aufbau-Böe) wurden
die Segel aufgeriggt (ok, zugegeben, ich habe alles aufgebaut,
was ich dabei hatte, die anderen nur jeweils den größten
Lappen zwischen 5 und 6 qm), aber wirklich passiert ist erstmal
noch nicht viel. |
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Von jetzt an hieß es mehr oder weniger: Und täglich
grüßt das Murmeltier! Morgens aufstehen, in die Shorts
hüpfen und feststellen, dass die Richtung stimmt- der Wind
aber nicht stark genug ist. Also auf nach La Pared, dem besten
Wellenreitspot auf der gegenüberliegenden Seite der Insel,
ca. 15 Minuten mit dem Auto entfernt. Nach 2-3 Stunden zurück
an die Düne, wie der Spot in Sotavento am Pro Center II von
René Egli auch genannt wird, warten auf den heiß
ersehnten Wind, feststellen dass dieser nicht wirklich kommt,
gegen 5 Uhr wieder etwas frustriert ins Auto steigen, und den
Sonnenuntergang in La Pared auf dem Wasser genießen.
Die meisten von uns hatten vor Fuerte noch nie oder nur sehr selten
mal auf einem Wellenreiter gestanden. Dank des ausbleibenden Windes
und der stetig zunehmenden Wellenhöhe erwischten wir zum
Lernen perfekte Bedingungen. Zunächst blieben die Wellen
überschaubar, wurden aber von Tag zu Tag ein wenig fetter.
Perfekt um etwas „PaddlePower“ zu tanken, um es am
Ende des Trips auch mit echten „Männerwellen“
aufnehmen zu können. La Pared ist zwar wegen des dortigen
Sandstrandes sehr nett zum Anfangen, aber auch bei kleinen Wellen
kann es schon eine heftige Strömung geben.
Und so waren die beiden am häufigsten gehörten Sprüche:
„Paddle harder, man!“, und sobald einer mal eine Welle
ausgelassen hatte, um nicht wieder kopfüber und unangespitzt
in die Sandbank gerammt zu werden, hieß es von den anderen
meist nur: „ No Worries mate, it’s only fuckin’
water!“ So motivierten wir uns täglich aufs Neue gegenseitig,
auch die größer werdenden Wellen anzupaddeln, was bei
jedem irgendwann auch zum Erfolg geführt hat. Jeder hatte
sein persönliches Erfolgserlebnis- Dominique und Björn
haben zum ersten Mal auf einem Wellenreiter gestanden, Sören
(trotz seiner körpereigenen Grund-Langsamkeit) und Kami (trotz
seines Kaulquappen-Paddel-Stils) haben zum ersten mal richtig
lange gestanden und einige Wellen sehr gut erwischt, Olaf und
ich hatten in den letzten Tagen die vielleicht größten
Wellen unserer Wellenreitkarriere. Und nebenbei werden uns die
perfekten Sonnenuntergänge in Boardshorts und Lycra auf dem
Wasser noch lange in Erinnerung bleiben. Ein Traum eben!
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Aber… eigentlich war der Plan ja nicht, das Wellenreiten
zu lernen, sondern 9 fette Windsurftage abzuräumen…
und eigentlich wollten wir wegen der unglaublich guten Windvorhersage
bei Windguru und Wetteronline die Wellenreiter auch ganz zuhause
lassen, aber das wäre im Nachhinein der absolute Super-Gau
gewesen. Denn erstens kommt es anders… und zweitens als
man denkt…
Kurz bevor wir am dritten Tag abends wieder nach La Pared starten
wollten, legte der Wind plötzlich zu, so dass wir kleine
Boards und Segel zwischen 5,8 und 5,0 qm fahren konnten. Endlich!
Zwar war das Wasser vollkommen spiegelglatt, von Wellen war keine
Spur und die Windrichtung stimmte plötzlich auch nicht mehr
ganz- es pustete platt ablandig- aber dennoch zauberte der Wind
innerhalb von Sekunden das Grinsen zurück in alle Gesichter.
Kami hat nach etwa 25 Jahren Windsurfen noch einmal einen ultimativen
Speedrausch bekommen, der ihn sogar seinen Nikotin-Entzug für
ein paar Stunden vergessen ließ, und alle anderen waren
beeindruckt, wie flach eine Wasseroberfläche sein kann.
Gut 2 Stunden konnten wir uns austoben und alle waren sich einig,
dass es nach den ersten 3 windlosen Tagen endlich losgehen würde.
Eingefahren waren wir ja nun, jetzt konnte das Training so richtig
beginnen.
Aber erstens kommt es anders… und täglich grüßt
das Murmeltier… Tatsächlich ging es genau so weiter,
wie der Urlaub angefangen hatte. Irgendeiner weckte morgens hektisch
die andere, weil die Windrichtung passte und er sich ganz sicher
war, dass es heute klappen würde (ok, meist war ich derjenige,
der sich sicher war, dass noch Wind kommen würde…),
aber spätestens nach der morgendlichen Wellenreitsession
wurden die Hoffnungen von Stunde zu Stunde geringer. Also ging’s
abends wieder nach La Pared und nach einem weiteren fantastischen
Sonnenuntergang im Wasser standen Nudeln kochen und bei Windsurf-DVD’s
und Popo-Club-Folgen Motivation für die kommenden Tage schöpfen
auf dem Programm. Es würde ja sicher am folgenden Tag besser
werden… Doch erstens kommt es anders… und so weiter…
Um die Geschichte ein wenig abzukürzen: Der Wind ließ
sich die restlichen Tage nicht mehr blicken. |
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Wir nutzen die Zeit
beim Wellenreiten und bekamen dabei immer mehr Spaß, wahrscheinlich
auch, weil spätestens nach 6 Tagen jeder das Windsurfen
für diesen Urlaub komplett abgehakt hatte. Statt neuer
Moves und tollen Bildern würden wir also Ganzkörperbräune
und dicke Schultern vom Paddeln mit nach Hause bringen. Am Abreisetag
wollten wir vormittags nach dem Wellenreiten anfangen, die Klotten,
immerhin 11 Boards und 23 Segel plus Zubehör für 6
Leute, wieder in den Boardbags zu verstauen.
Doch wie wir schon morgens gesehen hatten stimmte die Windrichtung
und gegen 12.00 Uhr drehte der Passatwind plötzlich auf,
so dass auf einmal wieder Segel zwischen 5,9 und 5,4 qm angesagt
waren. Domi, Olaf, Björn und ich riggten in Windeseile
auf und kamen so wenigstens noch einmal für ein paar Stunden
aufs Wasser- bevor wir am Nachmittag endgültig zusammenpacken
und uns auf den Weg zum Flughafen machen mussten. Ironischer
Weise waren die Bedingungen in diesen ca. 2,5 Stunden am Abreisetag
nahezu perfekt- kleine, hüfthohe Wellen liefen auf den
Sandbänken und luden zum Zerrippen und zu Mini-Aerials
ein.
Der Wind war fast konstant und nahm nur ganz langsam ein bisschen
zu. Und das am Abreisetag… Murphy’s Law? Naja, erstens
kommt es halt anders… und zweitens als man denkt…
Aber solange die Windrichtung stimmt, bleibt auch die Hoffnung…
Das zumindest haben wir dieses Mal auf Fuerte gelernt.
Im Nachhinein war der Urlaub für uns alle trotzdem ein
Traum. Auch wenn jeder zwischendurch Mal ziemlich angefressen
und „nöckelig“ war- entweder wegen Wind- oder
wegen Nikotinentzug- oder wegen beidem… Teilweise war
die Stimmung sozusagen „tiefer gesunken als Walscheiße“…
Trotzdem, wieder zurück in Deutschland würden wir
wohl alle ohne zu zögern sofort wieder zurück düsen,
in der Hoffnung, etwas mehr Glück zu haben- Ach ja, und
sicher ohne vorher die Windvorhersagen von Wetteronline und
Windguru zu studieren- denn wenn wir uns etwas weniger sicher
gewesen wären, dass uns 9 Hammertage erwarten würden
und wenn wir etwas weniger hohe Erwartungen gehabt hätten,
hätten wir die wenigen Windstunden und die anderen wunderbaren
Momente vermutlich noch etwas mehr genossen. Für mich steht
dennoch trotz der schlechten Windausbeute fest: Fuerte Süd
ist einfach ein Traum… - immer gerne wieder.
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Kommentar
von Sören:
Flo hat (vielleicht absichtlich) vergessen zu erwähnen, dass
er neben dem Großteil der Organisation auch den Part der
Motivation übernommen hatte. Es war praktisch nicht möglich,
unvoreingenommen von den Windvorhersagen nach Fuerte zu fliegen,
denn schon zwei Wochen vor dem Abflug kamen regelmäßig
Emails vom Flo, die auf die grandiose Windvorhersage oder einen
neuen "Pic of the Day"- Eintrag deuteten. Und jedes
Mal Flo’s Lieblingssatz dazu: "Das wird ein Traum!"
Nicht nur, dass Flo bei der ersten Böe gleich drei Segel
aufriggte, er trug auch nicht nur bei Gleitwind sein Material
zum Wasser. Neben den beiden Malen Gleitwind hat er noch 3 weitere
Male sein Zeug zum Strand geschleppt um auch die Rausfahr-Böe
zu erwischen, die dann aber auch ausblieb. Da kam mir meine Langsamkeit
und auch die Erfahrung, die man nach mehreren Wochenendtrips und
bereits 4 Flugurlauben mit Flo gesammelt hat, zu gute. Deswegen
war mir Flos Hektik auch nicht fremd. Für die Anderen wurde
jedoch das ständige "Hat einer Lust zu...", "Macht
einer mit bei...", "Kommt einer mit zum..." oder
"Wie wärs mal mit..." auf die Dauer nervig. Aber
jeder Surfer hat nun mal so seine eigene Art, mit dem mangelnden
Wind und den damit aufkommenden Frust umzugehen.
Ich glaube aber, dass es jedem von uns Spaß gemacht hat.
Auch wenn alles anders kam, als wir vorher gedacht hätten...
Thanx to our Sponsors:
Kamikaze: Hogi Surf Bielefeld
Sören: Hogi Surf Bielefeld, Sailloft Hamburg, Tekknosport
Flo: Hifly, Sailloft Hamburg, ProLimit, AlienRiders, Tekknosport,
Windsurfingclub Dümmersee
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