Sobald der
Wellenreiter die riesige Woge erwischt hat und mit gleicher
Geschwindigkeit auf dem gen Ufer rasenden Wasserberg
gleitet, lässt er die Leine los und beginnt ein riskantes Spiel.
Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit surft er die Welle leicht
diagonal ab, mit dem Ziel, am Ende mit dem Ritt in die Sicherheitszone
des Riffes zu gelangen. Ein Sturz kann tödlich ausgehen - obwohl
an dem berühmt-berüchtigten Spot namens "Jaws" noch niemand umgekommen
ist, wissen die Monsterwellenreiter genau, dass es nur eine Frage
der Zeit bis zum Ernstfall sein kann.
Der berühmte Surfer Darrick Doerner glaubt den Sturz mit dem Gefühl
vergleichen zu können, von einem Lastwagen überrollt zu werden.
Der deutsche Wahl-Hawaiianer Robby Seeger beschreibt den vorzeitigen
Abgang einfach als Horror; gefangen in der Dunkelheit des Meeres,
von der Wucht der Welle bis auf den Meeresgrund gepresst, über
sich meterhohes Weißwasser, in dem weder Schwimmen noch Atmen
möglich ist. Kommt man nach einem solchen Waschgang von Mutter
Natur wieder heil an Land, hat sich der Mensch fundamental verändert.
Der Geist des Surfens in mehr als haushohen Wellen heißt Verlangen:
nach Wissen, nach Verstehen von Natur und dem Sinn unserer Existenz.
Ein faustisches Verlangen nach der Kenntnis, das die Welt im Innersten
zusammenhält. Und ein Streben nach Selbsterkenntnis.
Wer sich mit der Gewalt des Ozeans misst, testet seine eigene
Sterblichkeit. Der amerikanische Surf-Philosoph Gerry Lopez erklärt:
"Surfen ist wie das Tor zu deinem Leben". Große Wellen stellen
Körper Geist und deine Seele auf die Probe" "die Zeit steht still.
Du spürst und hörst die Natur, wie sie um dich herum wirbelt,
saugt und faucht" Surfen an sich ist ein spirituelles Erlebnis.
Man sitzt im unendlichen flüssigen Element auf einem winzigen
Brett, wartet auf die Welle, lässt die Gedanken an weltlichen
Sorgen hinter sich: Ein Verschmelzungsprozess mit der Natur findet
statt. Der Ritt vor riesigen Meereswogen dringt noch tiefer in
philosophische Sphären ein. Einen dreißig Meter hohen Wasserberg
abzusurfen kann das allerhöchste Glück bedeuten - oder zum allerschlimmsten
Albtraum werden. Die Surfer selbst sind zu einer anderen Auffassung
von Realität, Zeit und Raum gezwungen.
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