Windsurfen in Norwegen
August 2022 – Norwegische Gletscherseen zeigten sich ausnahmsweise bei Sonnenschein.

Windsurfen in Norwegen

August 2022 in Süd-Norwegen: Eis und Schnee im Fjell. Weißer Sandstrand und türkisfarbenes Meer. Einsamkeit und Trubel.

Slartibartfast hat bei der Erschaffung Norwegens ganze Arbeit geleistet. Seinen Preis für die Landschaftsgestaltung des skandinavischen Landes hat er unserer Meinung nach vollkommen zu recht bekommen 1. Kinnladenrunterklappmomente sind dort so zahlreich implementiert, dass Gespräche während der Fahrt immer wieder durch eloquente Äußerungen wie "Ohh", "Woahh", "Uiii!", "Wahnsinn!" unterbrochen werden.

Es ist zwar nicht so, dass ein Besuch Norwegens Reisen nach Irland, Alaska, Österreich, Palau, Sardinien und Dänemark ersetzt, landschaftliche Elemente der genannten Länder reihen sich aber auf so engem Raum so abenteuerlich nebeneinander, dass wir manchmal unseren Augen kaum trauen mögen.

Der großartigen Landschaft ordnete sich in dieser Reise auch das Windsurfen unter. Es ging also nicht um den besten Wind und die beste Welle. Das heißt allerdings nicht, dass die Stehsegelei anspruchslos war, auch wenn man das bei den flautigen Fotos vermuten könnte. So hügelig, wie das Land sich über dem Wasserspiegel präsentiert, so hügelig geht es unter Wasser weiter. Der ein oder andere Gipfel endet nur Millimeter unter der Wasseroberfläche und da ist die Finne schneller weg, als man Slartibartfast sagen kann. Dazu kommen radikale Wetteränderungen innerhalb kürzester Zeit. Kombiniert man diese Variablen mit der an abgelegenen Orten oft straßenlosen Umgebung, kann ein vermeintlich harmloser Spot schnell extrem unangenehm werden. Das gilt sowohl für die Schärengebiete als auch für die Bergseen.

1 en.wikipedia.org/wiki/Slartibartfast

Strandleben – Norwegen hat Strände, die man auch auf Sardinien vermuten könnte.
Strandleben – Norwegen hat Strände, die man auch auf Sardinien vermuten könnte. In den Schären kann man wunderbar spazieren surfen.

Als wir vor vier Jahren die Lofoten besuchten, haben wir einen Fehler gemacht, den wir bei dieser Reise nicht wiederholen wollten. Reisehinweise wie "Norway's best instagrammable places", "Was ihr in Norwegen unbedingt gesehen haben müsst" und die "10 besten Orte, die jeder in Norwegen gesehen haben sollte", geben genau jene Orte an, an denen dann fast alle anderen auch sein werden.

Geiranger ist so ein Beispiel. Oder der Preikestolen. Ohne Zweifel ist es da schön, aber dort wird es durch die Netzpropaganda und die geschickte Lenkung der Touristenströme durch die Fremdenverkehrsämter auch schön voll. Kanzler Scholzens Maxime "You never walk alone" war nie zutreffender. Auch auf den Straßen geht es an den Hot-Spots multikulturell lebhaft zu – auch gerne mal mit lautmalerischer Untermalung – wenn indische, chinesische, italienische und deutsche Touristen unterschiedliche Konzepte von geordneter Verkehrsführung ausdiskutieren, während norwegische Busfahrer mit Valium-Flatrate zwischen Abgrund und Außenspiegeln durchflutschen.

Edward Munchs weltbekanntes Bild "der Schrei" soll übrigens auch an einer Spitzkehre beim Gesichtsausdruck eines Wohnmobilpiloten, dem ein norwegischer Reisebus entgegen kam, seine Inspiration gefunden haben.

Also: Man kann diese Orte besuchen, sollte sich aber mental nicht auf Einsamkeit einstellen.

Fjell – Die Hochebenen im Gebirge sind einsam und laden zum Entdecken auf Nebenwegen ein.
Fjell – Die Hochebenen im Gebirge sind einsam und laden auch außerhalb der Nationalparks zum Entdecken auf Nebenwegen ein.

Eigene Highlights finden
Wer das nicht braucht, sucht das Weite und davon bietet Norwegen ziemlich viel. Nur 5,4 Millionen Menschen besiedeln ein Land, das flächenmäßig größer ist als Deutschland. Klar ist auch, dass so ein großes Land verkehrstechnisch anspruchsvoll und vor allem teuer ist. Will heißen: Maut zahlt man fast überall und viele Straßen sind nicht asphaltiert. Gerade diese Nebenwege, auf denen Maut manchmal an kleinen Holzhäuschen in Briefkästen geworfen werden muss, sind aber ziemlich interessant. Kaum frequentiert, führen sie durch wunderbare Landschaften. Sie tauchen nicht auf den Top-10-Listen auf, weil es so viele davon gibt. Es lohnt sich unserer Meinung nach, die Hauptstraßen zu verlassen, wenn man nicht gerade ein festes Ziel in möglichst kurzer Zeit erreichen möchte. Bei den Nebenwegen kann es aber auch sein, dass sie nicht für alle Fahrzeuge passierbar sind. Kleine Kastenwagen sind manchmal das größenmäßig sinnvolle Maximum.

Unser Tipp: Kauft euch eine gute Straßenkarte Norwegens, tragt die Orte ein, die touristisch besonders beworben werden und überlegt euch dann, ob ihr den ausgetretenen Pfaden, die diese Orte verbinden, wirklich folgen wollt. Sucht euch Orte aus, die gerade nicht auf diesen Listen auftauchen. Ein Beispiel: Neben dem Dovre-Nationalpark und dem Rondane-Nationalpark schließen sich weitere Hochgebirgsebenen an. Sind diese landschaftlich anders als die Nationalparks, in denen man sich lediglich zu Fuß bewegen kann? Nicht wirklich. Es gibt aber Wege, Handynetz und die ein oder andere Alm. Übrigens 1500 Höhenmeter in Norwegen entsprechen klimatisch etwa 2700 Metern in den Alpen.

Oslo - Radikal modern
Oslo wird radikal modernisiert. Die Hauptstadt Norwegens ist ein Kontrastprogramm zur oft überbordenden Natur.

Windsurf-Spots
Wer dem Windsurfen einen großen Stellenwert einräumt und auch mit Shortboards Spaß haben möchte, findet vor allem an der Westküste geeignete Spots.

Nahe Stavanger: Solastranden (der einzige Ort, an dem wir andere windgetriebene Wassersportler gesehen haben). Ølbergstranden, etc. Hier reiht sich ein Sandstrand an den nächsten.
Südwesten: Gegend um Farsund, z.B. Lomesanden.

Seen: Beim Namen des Gewässers auf den Namensbestandteil "vatnet" achten. Es handelt sich dann um eine Talsperre, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch zur Elektrizitätserzeugung genutzt wird. Ein Vorteil dessen ist, dass diese Talsperren meist nicht in Schutzgebieten liegen und wassersportlich gut genutzt werden können, weil es Zufahrtswege gibt. Einen Blick sollte man aber auf mögliche Zu- und Abflüsse haben.

Reise-Infos
Wandern: Draußen sein ist ein norwegischer Volkssport. Beim Sonntagsausflug, bei der die Familie auch gerne die 120-jährige Oma mitnimmt, hüpfen die Norwegermenschen leichtfüßig über kleinwagengroße Granitblöcke, sausen fröhlich plaudernd tausende Höhenmeter empor und deklarieren das alles dann als leichte Wanderung. Menschen anderer Nationen bezeichnen das als Expedition. Obacht also, bei der Nomenklatur der norwegischen Wanderwege.

Bergen: Kreuzfahrthafen, touristisch gut besuchte Stadt. Über 250 Regentage pro Jahr. Von Bergen aus südwärts ziehend, erreichen Freunde des gepflegten Wassersports traumhafte Strände.

Oslo: Tolle Stadt, unzählige Elektroautos huschen leise surrend vorbei. Die Norweger mögen keine Auspuffgase, verkaufen ihr Öl lieber nach Außerhalb, legen dann das Geld nachhaltig an und nutzen selber die Wasserkraft als saubere Energiequelle. Teilweise ultramoderne Architektur. Interessante Museen wie das neue Munch Museum oder das Museum, das um Amundsens Polarforschungsschif Fram gebaut wurde. Großer Campingplatz (Ekeberg Camping Oslo) nahe des Stadtzentrums.

Norwegen
Norwegen Roagtrip
Es lohnt sich, sein eigenes Norwegen abseits der ausgetretenen Pfade zu suchen.

Anreise: Zahlreiche Fähren von Deutschland (Kiel), Dänemark und neu von Eemshaven in den Niederlanden. Wer Seefahrten vermeiden möchte, fährt über Dänemark und Schweden nach Norwegen.

Fahren in Norwegen: Die Straßen sind oft schmal, man kommt meist nur langsam voran. Besonders Fjord-Norwegen hat ziemlich enge Straßen, die manchmal schmaler sind als die Einfahrt eines deutschen Einfamilienhauses. Und das sind keine Einbahnstraßen.

Tunnel: Um möglichst schnell von A nach B zu kommen, bohren Norweger gerne Tunnel in erstaunlicher Länge. Tausende von Tunneln helfen, die vertikal gefaltete Landschaft automobil zu bezwingen. In den Tunneln gibt es auch Kreisverkehre und Abzweigungen. Das GPS funktioniert unter Tage natürlich nicht, was es aber gerne mal verschweigt, nur um dann an der freien Luft vehement zu daran zu erinnern, dass man vor zwei Kilometern im Tunnel die Abfahrt verpasst hat. Old-School Schilder lesen kann durchaus helfen.

Rechnungen über die Straßenmaut, sofern sie über Kameras registriert wird, werden automatisch an die Halter des Fahrzeugs nachgeschickt. Wer sich vorab (min. drei Wochen vor der Reise) z.B. bei flytpass.no registriert, spart Geld und kann auch einen Kastenwagen korrekt als Wohnmobil deklarieren. Man bekommt dann einen Transponder, der reversibel innen an der Frontscheibe befestigt wird. Man kann online seine Rechnungen einsehen und per Überweisung zahlen.

Unsere Reiseroute: Oslo - Region östlich von Koppang - Region westlich von Alvdal - Rondane / Dovre Nationalpark - Jostedalsbreen - Geiranger - Bergen - Westküste - Oslo

VIPPS: Vipps ist ein digitales norwegisches Bezahlsystem, das sich sehr großer Beliebtheit erfreut. Vom Straßenkünstlicher bis zum Campingplatz, alle nutzen VIPPS. Pikant: Nicht in Norwegen sesshafte ohne norwegisches Konto können VIPPS nicht nutzen. Uns ist es im Fall einer Straßenmaut passiert, dass VIPPS das einzige akzeptierte Zahlungsmittel war. Wir haben beim Norwegischen Fremdenverkehrsamt nachgefragt, wie sich Ausländer in solchen Fällen verhalten sollen, bislang aber keine klärende Antwort erhalten.

Bargeld: Braucht man kaum. An manchen Campingplätzen wird Bargeld auch nicht mehr akzeptiert.

17.10.2022 © DAILY DOSE  |  Text: Christian Tillmanns  |  Fotos/Grafiken: Anke Zieseniss, Christian Tillmanns