Wintersport: Windsurfen und Wingen auf Teneriffa

Wintersport: Windsurfen und Wingen auf Teneriffa

Philipp Kümpel berichtet aus Teneriffa von aufgepumpten Cambern, Micro-Finnen unter Foils und dem Training der PWA-Profis...

Der deutsche Winter ist zwar seit einigen Jahren auch im Binnenland durchsurfbar, doch ich bevorzuge die graue Jahreszeit zu zerteilen und mit einem Sommeranteil zu versehen. Dafür geht es im Februar entweder nach Tarifa oder wie in diesem Jahr nach Teneriffa. Warum Teneriffa? Es ist gut und günstig mit Ryanair zu erreichen, windsicher und mit dem TWS-Slalomtraining ist es das Revier, an dem sich viele PWA-Profis für Monate zum Trainieren treffen.

Die Bucht von El Médano auf Teneriffa
Bucht von El Médano

Diesmal sollte es für uns eine Reise für drei Generationen werden. Meine Mutter – inzwischen 84 Jahre jung – stand früher gerne auf unserem Winglider und kennt alle guten Surfreviere. Ich bin natürlich mit am Start und auch meine beiden surfenden Söhne. Einer davon beschäftigt sich professionell mit dem Windsurfen (Youtuber surferzyzz). Mario nahm für diese Reise sein Auto und fuhr 4000 Kilometer, um auf die Insel zu kommen. Von Tarifa ging er auf die Fähre und kam 48 Stunden später mit seinem Bus und dem gesamten neuen Sponsor-Material von Point 7 und Vayu auf der Insel an.

Wing-Material ist auf Flugreisen unkompliziert zu transportieren.
Wing-Material ist auf Flugreisen unkompliziert zu transportieren.

Für mich als Winger ist eine Flugreise mit Material einfach geworden. Zwei 20kg Boardbags und man hat sein Board, drei Wings zwei Foilsets und die Neos mit am Start.

Die Wind- und Wettervorhersage sah perfekt aus: Mindestens 20 Knoten Wind bei 25 Grad Lufttemperatur. Doch manchmal frage ich mich, ob die Windapps mit den lokalen Vermietern zusammenarbeiten. Die Vorhersage versprach immer Wind und triggerte uns wie die sprichwörtliche Karotte vor einem Esel. Der versprochene Wind löste sich dann Tage später in nichts auf… Ich sollte vielleicht meinen Aluhut gegen einen Strohhut tauschen.

El Medano - wohnen direkt am Strand
El Médano

Wir wohnten in El Medano ist direkt am Hotspot. Die Ferienwohnung bot Platz für die ganze Familie und ihre Wünsche. Es gab sogar einen Keller für das Surfmaterial. Dort brachte ich meine Boardbags natürlich gleich nach der Ankunft hin. Und wer steht dort in Unterhose? Ein Hühne, ein Oberlix der als Kind viel Zaubertrank abbekommen hat: Antoine Albeau. Er grüßte freundlich und fragte mich, ob der Wind heute reichen würde. Der Wind war dürftig aber mit großem Wing fahrbar. Er ist trotz seiner PWA-Abstinenz immer noch Vollprofi und nahm auch diesen marginalen Lufthauch dankbar mit.

Antoine Albeau
Antoine Albeau trainiert und tüftelt wie eh und je. Ob er vielleicht doch wieder antritt?

Was machte er hier? Hatte er nicht seine Profikarriere beendet? Trotzdem fuhr er beim Slalomtraining mit, natürlich immer mit dem Foil und bei weniger Wind ging er Wingen. Ich hatte so viele Fragen. Da mein Sohn als YouTuber eine gute Möglichkeit bot an Antworten zu kommen, fragte ich Antoine nach einem Interview. Er willigte sofort ein. Hatte allerdings nicht stundenlang Zeit, da er noch für seine beiden Kinder Sandburgen bauen musste.

Tatsache ist, das immer mehr PWA-Profis zu Sandbauunternehmern werden. Auch Jordy Vonk grub fleißig im Sand von Teneriffa. Es hätte eigentlich nur der deutsche Meister Vincent langer mit seiner Tochter in einer Burg gefehlt. Tauschen sich die Pro Fahrer in einer WhatsApp Sandburg Gruppe über die neuesten Burgbau-Trends aus?

Zurück zu Antoine. Der Franzose gab an, an einigen Events auch in 2023 teilnehmen zu wollen. Auch an der Jagd nach dem Speed-Weltrekord wird er weiterhin teilnehmen, so die offizielle Antwort. Hört man sich bei den anderen Fahrern um, so scheint die einhellige Meinung zu sein, dass er wieder antritt, wenn sich die Gelegenheit bietet zu siegen.

Im Wettkampf führt kein Weg mehr an Foils vorbei.
Im Wettkampf führt kein Weg mehr an Foils vorbei.

Mein Sohn war ja mit dem Bus auf die Insel gekommen. Da er nun von Point-7 seine Segel bekommt, konnte er aus der ganzen Palette schöpfen. Er fing mit dem Foilsegel ohne Camber an. Eigentlich wollte er sich an die TWS Profis hängen und sich vergleichen. Deren Training war jedoch aus der Bucht vertrieben worden, weil sich die vielen Amateursurfer gestört gefühlt hatten. Es ist ja auch ernüchternd, zu sehen wie schnell mittlerweile auf den Foils gefahren wird. Da kommt keine Finne mehr mit. Das ist selbst bei viel Wind und hohen Wellen auf der Insel so.

Neuster Trend: Ein Seitenleitwerk hinten am Foil für mehr Richtungsstabilität.
Neuster Trend: Ein Seitenleitwerk hinten am Foil für mehr Richtungsstabilität.

Neuester Trend bei den Foils war eine kleine Minifinne, auch Antoine Albeau fuhr so ein Hybridfoil. Die Frontflügel waren extrem schmal und wurden nach jedem Rennen nachgeschliffen. Bei den zum Training genutzten Segeln handelte es sich fast ausnahmslos um Prototypen. Am eindrucksvollsten fand ich das Racesegel von North Sails mit aufblasbaren Cambern und aus einem Stück geformten Tuch. Ein Windsurfsegel aufzupumpen sieht schon recht seltsam aus.

Ich war jeden Tag mit meinem 2023er Vayu Board draußen. Es war ein Vorserienmodel. Irre wie viel besser es anglitt als mein altes. Das Wingboard hatte ein komplett überarbeitetet Unterwasserschiff. Vayuchef Philip Horn hatte mir auch einen Wingprototyp mitgegeben. Das niedrige Gewicht war eine helle Freude, Licht und Salzwasserbeständigkeit waren serienreif.

Springen mit Wingfoil Boards, El Médano
Foils waren total angesagt.

Mario aka Surferzyzz zwang mich zu einer Wingsurfspringchallenge. Ich war noch nie mit meinem Wingbord gesprungen und hatte echt Angst. Ich sollte als erster raus. Alles wurde fein gefilmt. Ich hätte Windeln gebrauchen können. Es gab kein zurück mehr. Es sollte nur nicht zu sehr weh tun, bitte!

Ich nahm Anlauf und raste auf eine kleine Welle zu und riß mit den Füssen das Board hoch und zog am Schirm. Klar ich war gefühlt 80 Meter hoch. Balz Müller kann seinen Kram verkaufen. Ich landete sanft und war so glücklich, als ob ich meinen ersten triple Loop geschafft hätte. Auf den Bildern sah man, dass es keine 80 Meter waren und auch keine 80 Zentimeter, eher 8 Zentimeter Luft unterm Foil. Egal ich hatte etwas Neues gelernt. Das übte ich nun jeden Tag. Mario flog natürlich viel höher mit seinem Material, eindrucksvoll wie angstfrei und schnell er lernt.

Teneriffa bietet wunderschöne Landschaften.
Teneriffa bietet wunderschöne Landschaften.

An manchen Tagen hatte man Sand zwischen den Zähnen. Calima, der Wüstenwind kam wehte Sand aus der Sahara auf die Insel. Calima bedeutet aber auch, dass das lokale Windsystem nicht mehr funktioniert. Es machte nichts. Es ist vollkommen in Ordnung endlich mal wieder ein Buch in der Sonne zu lesen oder sich mit den Pros über ultraleichte Finnenschrauben zu unterhalten.

Foils am Strand von El Médano.
Foils am Strand von El Médano.

Ich versuchte es auch noch mal mit dem Windsurfen. Doch dabei landete ich fast auf einem vorgelagerten Riff. Mit dem Foil war Höhelaufen doch viel einfacher. Gegen Ende der zweiten Woche wurde es in der Bucht von El Medano immer enger auf dem Wasser. Mehr Leute passen fast nicht aufs Wasser. Ich bin dann eine Bucht weitergezogen. Dort jagten sich nur die PWA-Fahrer bei ihrem Training und ein paar Winger waren mehr in der Luft als im Wasser.

Was bleibt von dieser Teneriffareise? Ich liebe diesen Sport, er verbindet unsere Familie über Generationen. Er hält uns fit und läßt uns Fremde Welten erleben. Zurück in Leipzig findet sich immer noch Calimasand in meinen Schuhen. Das hilft den deutschen Schmuddelwinter zu vergessen.

Teneriffa 2024 ist gebucht und am Wochenende werde ich bei 6 Grad mit meinen Freunden über den Cossi fliegen, auch das ist schön. Möge uns allen der Wind gewogen sein.

04.03.2023 © DAILY DOSE  |  Text: Philipp Kümpel  |  Fotos/Grafiken: Maria Bobrova / Unsplash, Michal Mrozek / Unsplash, Philipp Kümpel