Auslandssemester in Spanien

Auslandssemester in Spanien

Philipp Grzybowski ist für ein Auslandssemester nach Spanien gegangen. Die Surfbedingungen spielten bei der Wahl des Ortes eine gewisse Rolle.

Erster Stopp: Tarifa
Kurz vor Ende meines Studiums möchte ich die Chance nutzen und ein paar Monate im Ausland verbringen: Wo genau ist mir "beinahe" egal. Es müssen nur zwei Bedingungen erfüllt werden: Es muss warm sein und die perfekten Surfbedingungen vorliegen. Ach ja und es sollte mich in meinen Maschinenbaustudium voranbringen.

Nach Rücksprache mit dem International Office meiner Hochschule entscheide ich mich für einen Besuch der Partnerhochschule in Vilanova i la Geltrú in Barcelona. Die Lage ist perfekt für regelmäßige Trips nach Südfrankreich an den Étang de Leucate; zwei bis drei Stunden Autofahrt sind gut zu verschmerzen. Außerdem möchte ich die Spots der Costa Brava kennenlernen und das Ebro Delta erforschen.

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Da es in Südfrankreich und an der Costa Brava im Winter noch sehr kalt sein kann und das Semester in Barcelona erst im Februar startet, überlasse ich nichts dem Zufall und entscheide mich den Januar in Tarifa zu verbringen. An der Straße von Gibraltar erhoffe ich mir angenehme Temperaturen und vor allem beste Bedingungen zum Surfen, so dass ich die 1000 km pro Strecke zusätzlich gerne in Kauf nehme.

Ende Dezember zwischen den Feiertagen mache ich mich von Norddeutschland mit meinem alten Ford Escort auf in Richtung Andalusien. Mit zwei Bed and Breakfast Zwischenstopps im verschneiten Frankreich, erreiche ich in drei Tagen Bilbao, wo ich einen Studienfreund besuche und über Nacht bleiben kann. Die letzte große Etappe führt quer durch Spanien. In der Silvesternacht erreiche ich endlich Málaga. Dort bin ich bei meiner ehemaligen Mitbewohnerin zur Neujahrsparty eingeladen und so feiere ich den Jahreswechsel, total übermüdet aber glücklich, bei 15°C in der Nacht und Blick auf das Mittelmeer.

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TARIFA bei Poniente
Ab dem zweiten Januar verbringe ich vier Wochen in einem Ferienapartment in Tarifa. Es weht Poniente (Westwind), der alle zwei bis drei Tage die magische Grenze von 14 Knoten übersteigt und ich am Spot Campo de Fútbol mein Freestylestuff auf Onshore-Wave-Eignung testen kann. Leider sind die Wellen recht klein und brechen meist direkt auf den Strand. Lediglich einer der ersten vierzehn Tage reicht für mein 4,2er und mein Waveboard. Fest entschlossen meine Zeit hier in vollen Zügen zu genießen, wage ich es nicht mich zu beschweren und bin froh über jeden Tag mit Gleitwind und sogleich dankbar, dass der Poniente, nicht wie üblich, Regen mit sich bringt. Da ich die ersten zehn Tage alleine in Tarifa bin, nutze ich jede frei Minute auf dem Wasser oder für intensive Laufeinheiten am kilometerlangen Sandstrand hoch zum Punta Paloma. Netto stehen am zwölften Januar zehn Surfstunden auf dem Zettel - zu Hause nur schwer realisierbar.

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In der zweiten Hälfte meiner Andalusienreise, bekomme ich Besuch von meiner Schwester und einer guten Freundin, sowie einem über das DailyDose-Forum kennengelernten Münchener. Alle drei sind zum ersten Mal in Tarifa. Weil der Wind übers Wochenende etwas einschläft, tingeln wir in den ersten Tagen die unterschiedlichen Spots ab, bummeln durch die unzähligen Surfshops, gehen Tapas essen in der Altstadt und natürlich darf ein ausgiebiger Abstecher bei TacoWay nicht fehlen. In der Kultcocktailbar gibt es die allerbesten Mojitos (bis 23 Uhr für 3 Euro) und Surfvideos zum sattsehen. Am Montag dreht der Wind auf Ost und für Donnerstag ist starker Levenate (Ostwind) mit bis zu 35 Knoten angesagt. Leider reicht es bis Mittwoch nur vereinzelnd zum gleiten und so feilen wir am "Playa Chica" bei strahlendem Sonnenschein und nur minimalem Chop an Helitacks, Upwind360 und Geckos.

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Palmones - Das hässliche Entlein in Andalusien
Am Donnerstag Morgen ist es dann endlich soweit. Kaum habe ich die Augen ganz offen, höre ich bereits das Klappern der Eingangstür im Erdgeschoss. Ein Geräusch, das mir aus meinem letzten Besuch in Tarifa sehr vertraut ist: Der starke Levante ist da. Ein Blick auf mein Handy reicht aus, um mir bewusst zu machen, dass der Wind viel zu stark ist, um direkt in Tarifa aufs Wasser zu gehen. Windfinder spricht von 28 bis 45 Knoten und der aktuelle Messwert klettert bereits jetzt auf über 36 Knoten, Tendenz steigend. Nach kurzer Diskussion kann ich meine Mitreisenden davon überzeugen, dass wir in Palmones einen schöneren Tag haben werden und der Levante in Tarifa unfahrbar ist.

Palmones ist ein kleines Dorf in der Bucht von Gibraltar. Es könnte ganz ansehnlich sein, wenn es nicht zwischen zwei Industriestädten liegen würde, die mit Fabriken und Verladehäfen das Bild trüben. Aber wir sind zum Windsurfen hier und das geht bei starkem Levante bestens. Denn ist der Levante in Tarifa viel zu stark, hat es in Palmones zehn bis fünfzehn Konten weniger. Der Spot ist bei Levante, welcher hier Side-Onshore kommt, extrem vielseitig. Über die Sandbänke in der Bucht laufen kleine Wellen, welche selten einen Meter erreichen. Hinter den Sandbänken findet man Monsterchop zum springen und in der Flussmündung des "Rio Palmones" bildet sich bei Flut eine kleine Lagune zum Freestylen. Mit meinem 4,8er gut angepowert, habe ich den bis hierhin besten Tag meiner Reise. Das wir wieder keinen perfekten Levante Tag am EFPT Spot "Balneario" in Tarifa hatten, ist schnell vergessen und auch, dass die Sonne sich kaum zeigte, fällt erst später beim angucken der Fotos auf.

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So schnell wie der Levante in Tarifa ankam, ist er auch wieder verschwunden und der Poniente ist zurück. Angefixt von dem sehr guten Levante Tag und einem Spotguide-Gerücht, dass in Palmones nicht nur der Levante abgeschwächt, sondern auch der Poniente über die Berge verstärkt werden soll, behalten wir für dort die Vorhersage genauestens im Auge und sollen reichlich belohnt werden. Bereits zwei Tage später meldet der Superforcast bis zu 17 Knoten in Palmones, während wir in Tarifa bei kalten 13°C nicht mehr als 13 Knoten in den Spitzen messen können. Wir entscheiden uns aufzubrechen und werden bereits hinter den Bergen von einer strahlenden Sonne begrüßt, denn auch die Wolken bleiben augenscheinlich auf der Seite der Berge hängen, von der der Wind weht.

In der Bucht finden wir ablandigen Gleitwind mit bis zu 20 Knoten und plattem Wasser vor. Eine Stunde vor und nach Hochwasser ist auch der Wasserstand in der Lagune hoch genug zum Tricksen. Die nächsten zwei Tage genießen wir Traumbedingungen für die 5,2er und 4,8er Segel. Vom entspannten Freeride bis zum Freesytle-Training unter Laborbedingungen, holen wir alles nach was uns der Poniente in Tarifa verwehrt hat. Das hässliche Entlein Palmones entwickelt sich zum prachtvollen Schwan und zeigt sich von seiner allerbesten Seite.

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TARIFA bei Levante
Die ersten drei Wochen wie im Flug. Meine erste Etappe nähert sich dem Ende und die letzten Tage in Tarifa lassen sich an einer Hand abzählen. Natürlich ist pünktlich zum Abreisetag tagelanger, starker Levante angekündigt. Bis dahin allerdings nur Flaute und somit nutzen wir die "geschenkte" Zeit für etwas Sightseeing. Wir besuchen Gibraltar, Vejer de la Frontera und Cádiz und beten, dass der Levante ein paar Tage früher kommt, um noch ein kleines Stück vom Kuchen abzukriegen. Anscheinend haben wir das Glück mit Löffeln gefressen und bekommen zwei Tage vor der Abreise noch einen perfekten Tag in Tarifa geschenkt.

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Der Wind weht ablandig und zieht den Atlantik am Balneario spiegelglatt. Perfekt fürs 4.8er Segel. Ein paar bekannte Segelnummern tauchen am Spot auf und so gibt es neben paradiesischen Bedingungen auch jede Menge Powermoves zu bestaunen. Mit kaputten Handflächen und 28 Nettostunden auf dem Wasser verlasse ich Tarifa Ende Januar mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Ich freue mich auf das Abenteuer Auslandssemester und die bekannten als auch noch unbekannten Spots von Tarragona bis Leucate. Mit einem Kurzbesuch in Valencia erreiche ich meine Wohnung in Calafell, einer Stadt kurz vor Barcelona und durchstöbere das weltweite Netz nach Spotguides zu dieser Region, um hoffentlich auch bald von guten Tagen auf dem Wasser hier berichten zu können.

21.02.2018 © DAILY DOSE  |  Text: Philipp Grzybowski  |  Fotos/Grafiken: Philipp Grzybowski