Windsurfen auf Korsika: Pinarellu (links) und Ghjunchito (rechts)
Pinarellu (links) und Ghjunchito (rechts)

Windsurfen auf Korsika

Flo Luther war auf Korsika unterwegs und berichtet nicht nur von schönen Wellen, sondern auch von einer außergewöhnlichen Insel.

Endlich… im dritten Anlauf und nach zwei Jahren Corona haben wir es endlich geschafft – der lange geplante Trip nach Korsika ist Wirklichkeit geworden. Schon mehrfach war eine Reise auf die „Belle Île“ geplant, zweimal wurde diese allerdings kurzfristig durch die Pandemie verhindert. Doch aller guten Dinge sind drei, und so machten wir uns Anfang April endlich wirklich auf den Weg, die wunderschöne französische Insel nördlich von Sardinien zu besuchen.

Das Ziel für diese Reise war Windsurfen, Van Life und Wanderungen mit unseren Hunden zu kombinieren, und so einerseits ausreichend Adrenalin und Sonne zu tanken, andererseits aber auch die uns noch unbekannte Insel mit all ihren Facetten und von allen Seiten kennenzulernen.

Windsurfen auf Korsika: Algajola
Algajola

Windsurftechnisch war extrem hilfreich, dass mein langjähriger Reise-Buddy Chris Hafer netterweise Kontakt zu ein paar Locals hergestellt hatte, so dass wir schon vor der Überfahrt mit Infos und Tipps zu den besten Spots für die ersten Tage versorgt wurden. Und wie sich später herausstellte, sollten diese Gold wert sein.

Die Reise begann mit einem „guten Omen“ – unsere Fähre wurde aufgrund von Sturm und schlechtem Wetter gecancelt und wir mussten auf eine Abfahrt aus Frankreich statt aus Italien ausweichen. Sturm klingt natürlich wie Musik in den Ohren eines jeden Windsurfers und so stieg mit jedem zurückgelegten Kilometer auch die Nervosität und die Vorfreude auf das, was uns erwarten würde.

Windsurfen auf Korsika: Ghjunchito
Ghjunchito

Nach einer ruppigen Überfahrt betraten wir morgens um fünf Uhr bei Île Rousse korsischen Boden, direkt am „Northshore“ von Korsika. Nur kurze Zeit später stand ich auch schon im Neo am Strand von Algajola, etwas weiter westlich, und hatte Probleme, mein 3,6er in den Böen festzuhalten. Auf dem Wasser rollten in den Sets richtig nette Wellenberge herein, die erst auf einer vorgelagerten Sandbank brachen, dann aber mit viel Wumms und einem kräftigen Shorebreak auf den feinen Sandstrand klatschten.

Nur der Wind war etwas unkonstant – teilweise war nicht genügend Druck für den Wasserstart, teilweise hatte man das Gefühl, dass einem jemand in das Segel reintreten und es einem aus der Hand reißen wollte. Entspannt ist anders, aber immerhin entschädigten ein paar schöne Wellen und die ersten Backloops des Urlaubs für die nicht ganz einfachen Bedingungen.

Windsurfen auf Korsika: Ghjunchito
Ghjunchito

Nach den ersten 1,5 Stunden meldete sich mein korsischer Kontaktmann – Wellenalarm für den besten Wavespot des Nordens, Ghjunchito. Also schnell eingepackt und Standort gewechselt. An dem kleinen Pointbreak brachen in den Sets saubere und teilweise masthohe Wellen mit sideoffshore Wind von links, so dass sich ein perfektes Down-the-Line-Setup ergab. Der Wind hatte noch etwas zugenommen, das 3,6er war draußen schon grenzwertig groß, aber beim Abreiten kam man in die Abdeckung, so dass es auf der Welle perfekt gepasst hat.

Das einzig gewöhnungsbedürftige an dem Spot ist, dass man die ersten 100m nach Lee hinausschwimmt, bevor man in die Windzone kommt, und auf dem Rückweg ebenfalls ca 50-100m schwimmend zurücklegt, um den kleinen Strand wieder zu erreichen. Einen sicheren Ausstieg in Lee gibt es nicht wirklich – da ist zwar ein großer Sandstrand, allerdings mit einem monströsen Shorebreak, so dass man schon sehr viel Glück haben müsste, um sein Material dort heil wieder rauszubringen. Materialbruch ist in „Ghjunchi“ also keine schöne Erfahrung – aber abgesehen davon ist der Spot einer der Besten, die ich in den letzten Jahren erleben durfte.

Am Ende bezahlte ich diese großartige Session noch mit einem Windopfer. Das Unterliek meines 3,6ers hing nach einem Waschgang in Fetzen – und das gleich am ersten Tag unserer Reise. Glücklicherweise konnte ich dennoch surfend das Ufer erreichen und für diesen Tag hatte sich das Opfer definitiv gelohnt. Und sicherlich würde bei den nächsten Sessions ja nicht wieder so viel Wind sein…

Wandern auf Korsika
La Belle île – die schöne Insel – nennen die Franzosen die Insel.

Mangels Wind stand an den nächsten Tagen erstmal Sightseeing auf dem Programm. Dabei stellten wir schnell fest, dass Korsika den Namen „Belle Île“ wirklich verdient. Die Insel ist unglaublich abwechslungsreich. Nahezu überall findet man toll angelegte Küsten-Wanderwege, auf denen sich viele kleine Buchten erkunden lassen. Im Frühjahr ist es zudem noch nicht zu warm (tagsüber meist um 18-20 Grad), und die Natur steht in voller Pracht. Überall findet man Blüten in verschiedensten Farben – Ginster, Lavendel, Rosmarin, Veilchen, Krokusse und diverse andere uns unbekannte Pflanzen leuchten um die Wette, was gerade nach dem langen und grauen Winter an der Ostseeküste Deutschlands eine echte Augenweide war.

Windsurfen auf Korsika: Macinaggio
Macinaggio

Zwei Wander-Tage später, kam der nächste Windalarm – dieses Mal für einen Spot ganz im Nordosten der Insel, am Cap Corse, mit dem klangvollen Namen Macinaggio. Starker Südost kann hier an guten Tagen ordentliche Wellen in die kleine Bucht nördlich des Hafens schieben. Dafür war die Windperiode aber scheinbar zu kurz, so dass wir eher Bump&Jump-Bedingungen mit Wind von rechts erlebten.

In Lee der Bucht von Macinaggio befindet sich ein kleiner Berg, so dass man vor einer wunderschönen Kulisse seine Manöver ins Wasser zirkeln kann, was sich auf Fotos, vom Yachthafen aus geschossen, besonders gut macht. Das 4,0er war ganz schön groß, und ich vermisste gleich am zweiten Windsurftag mein zuvor zerstörtes 3,6er. Also hieß es ordentlich hinhalten und die Session genießen. Sicherlich würde ja beim nächsten Mal etwas weniger Wind sein, für die größeren Segel. Wir packten am späten Nachmittag zusammen und verließen das Cap Corse in Richtung Süden.

Wandern auf Korsika: Schnee im Gebirge
Auch das ist Korsika: Schneefelder gibt es bis in den Juni.

Abseits der Küste, im Landesinneren, erheben sich massive und bis ca 2.800 Meter hohe Berge, deren Gipfel bis in den Juni hinein mit Schnee bedeckt sein können. Es locken unzählige Bergwanderungen, teilweise mit amtlich vielen Höhenmetern und sehr unterschiedlichen Landschaften im Norden, in der Mitte und im Süden der Insel.

Auch wir wurden bei einer Wanderung zu einem Gebirgssee an einem steilen Hang von einem großen Schneefeld überrascht, das überquert werden musste. In Turnschuhen und Jeans war das schon eine echte Herausforderung, im Nachhinein aber vor allem ein besonderes und unerwartetes Erlebnis. Als kleine Zugabe war der See dann auch noch zugefroren und von Eis bedeckt, so dass sein kristallklares Wasser und die türkisblaue Farbe nur zu erahnen waren.

Wandern auf Korsika: Wilde Schweine
Das glücklichste Schwein der Welt?

Bei der Tour auf einen anderen Gipfel hörten wir beim Abstieg im Gebüsch ein Grunzen und ein würziger Geruch lag in der Luft, wodurch besonders unserer Hunde plötzlich sehr aufmerksam wurden. Korsische Schweine, die nahezu auf der ganzen Insel den Boden umpflügen, ansonsten aber harmlos und unaufdringlich sind, waren auf der Suche nach Nahrung und querten unseren Weg direkt vor uns. Für uns eine ungewohnte Wildtier-Begegnung, haben wir es sonst doch eher mit Rehen, Hasen und Kaninchen zu tun, für Korsika aber tatsächlich ganz normal.

Wenn man sich etwas Zeit nimmt und sich hinhockt, werden die Tiere teilweise neugierig und zutraulich und gehen auf Tuchfühlung. Auch wenn wir nur einmal das Glück hatten, können einem die Schweinchen überall auf der Insel über den Weg laufen – genauso wie sich oft auf steilen und schmalen Straßen im Gebirge hinter scharfen Kurven immer mal wieder Kühe, Ziegen oder Schafe auf der Straße befinden können.

Gerade im Gebirge ist schnelles Fahren aber ohnehin kaum möglich. Für die meisten Strecken sollte man deutlich mehr Zeit einplanen, als Google Maps so vorgibt. Abseits der Hauptstraßen sind viele Strecken nur einspurig zu befahren und selbst für Vans recht schmal. Auf einigen Bergstraßen und in einigen kleinen alten Dörfern wurden die Nerven schon ein wenig strapaziert und wenn es mit angeklappten Spiegeln immer noch knapp war, konnte dem Fahrer schon mal etwas wärmer werden. Letztendlich sind wir mit unserem Citroen Jumper überall ohne größere Probleme durchgekommen. Gerade mit breiteren Womos kann es aber durchaus etwas schwieriger werden.

Korsika Natur

Während Bastia im Nordern Korsikas nach unserer Meinung keine besonders schöne Stadt ist (am besten ohne Anhalten durchfahren), ist Bonifacio ganz im Süden allemal beeindruckend. Besonders, da die Stadt über der Steilküste auf Kalksandstein gebaut ist und man den Eindruck hat, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis ein Teil der Stadt abstürzt und im Meer versinkt. Vom Süden her bietet sich ein wirklich toller Blick auf die Stadt über dem Meer.

Windsurfen auf Korsika: Pinarellu
Pinarellu

Auch windsurftechnisch hat der Süden einiges zu bieten. Neben diversen Flachwasser-Spots, teilweise mit karibischen Wasserfarben, gibt es normalerweise bei SW Wind auch die Chance auf gute Wellen. Wir hatten das Glück, dass ein eher untypischer starker NNO-Wind die Bucht von Pinarellu zum Leben erweckte. Dieser Spot funktioniert im Normalfall nur im Winter, während im Sommer bestenfalls Freeride-Bedingungen herrschen. Auf besonderen Tipp unserer korsischen Kontaktleute erlebten wir einen absoluten Traum-Tag an diesem Sandstrand, mit Wind von links für das 3,6er. Äh… für das 4,0er. Das 3,6er hatte ja den ersten Tag nicht überlebt – wäre aber die perfekte Wahl gewesen.


Tatsächlich war das 4,0er tagsüber kaum zu halten und sorgte für einige unkontrollierte Abgänge. In den „Windlöchern“ passte es aber perfekt, so dass ich einige weitere Back- und Pushloops zu meiner Statistik hinzufügen konnte. Lag die Bucht am Vortag noch flach wie ein Ententeich dar, schoben sich ab dem frühen Morgen gut kopfhohe Wellen über die Sandbänke, die sowohl zum Springen als auch zum Abreiten einluden. Zum späteren Abend nahm der Wind dann etwas ab – erst passte das 4,0er perfekt, dann musste doch noch kurz das 4,4er herhalten, bevor die Wellen merklich kleiner wurden und sich zum Abend hin schnell verabschiedeten.

Korsika

Im Frühjahr kann man sich auf Korsika nicht auf die typischen Windsysteme verlassen. Dennoch kann man, wenn man bereit ist, einige Kilometer zu sammeln, eine sehr ordentliche Windausbeute hinbekommen. Während unseres Trips wären ca 60% Windsurftage drin gewesen. Da wir auch viel von der Insel sehen wollten, sind am Ende etwas unter 50% herausgekommen. Unerwarteterweise hätten für den gesamten Trip zwei Segel (3,6 und 4,0) und mein Waveboard komplett ausgereicht. Lediglich am letzten Tag unserer Reise fanden wir in Algajola noch einmal entspannte 8-15 Knoten, die mir meinen ersten Tag mit dem Windsurf Foil bescherten.

Ansonsten gab es immer nur Ballermann – oder eben Flaute und perfektes Wander-Wetter. Gemäßigte Tage mit entspannten Freestyle-Bedingungen haben wir dieses Mal nicht abbekommen. Dafür hatten wir Glück mit der Wellenausbeute, so dass wir sicherlich nicht zum letzten Mal auf der „Belle Île“ waren. Ein paar weitere Tage in Ghjunchito bei den nächsten Reisen wären schon ein kleiner Traum…

20.07.2022 © DAILY DOSE  |  Text: Florian Luther  |  Fotos/Grafiken: Claude Gourdon, Valerie Luther Fotografie