Steven van Broeckhoven - 37 Jahre alt und im Windsurf Freestyle ganz vorn dabei
Steven van Broeckhoven - 37 Jahre alt und im Freestyle ganz vorn dabei

Spielt das Alter im Freestyle keine Rolle mehr?

Axel Reese hat den 37-jährigen Steven van Broeckhoven interviewt

Spielt das Alter selbst im Freestyle World Cup, wo die verrücktesten Powermoves auf Weltklasseniveau gezeigt werden, keine Rolle mehr? Hatte man dieser Disziplin bislang zugeschrieben, nur in jungen Jahren Topleistungen zu zeigen oder gar in der Weltspitze mithalten zu können, so beweisen die Podiumsplätze beim Sylter World Cup das Gegenteil: Der neue Weltmeister Adrien Bosson, wie auch der Vize-Weltmeister Jacopo Testa sind 31 Jahre alt und der 37jährige Steven van Broeckhoven ist als Senior der Profi-Freestyle-Tour Dritter geworden.

„Ich fühle mich genauso gut drauf wie noch vor 10 Jahren!“, strahlt er uns an. Spielt der Körper nach eigenen Aussagen noch genauso mit, so steht er nun, im Herbst seiner World Cup Karriere, vor anderen Herausforderungen. Fragen an den Freestyle Weltmeister von 2011.

Steven van Broeckhoven - B72

Steven, im Herbst letzten Jahres hast du für die Saison 2022 eine noch ganz andere Planung gehabt.
Ja, ich wollte in eine ganz andere Richtung marschieren und nun der dritte Platz hier auf Sylt, was für mich ein großartiger Erfolg ist! Das vor dem Hintergrund, dass ich gar nicht so viel Freestyle trainiert habe. Und Anfang des Jahres habe ich noch nicht gewusst, was ich machen möchte und wie mein Jahr überhaupt verlaufen wird.

Steven van Broeckhoven - Windsurfing PWA World Cup

Weil eigentlich die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 2024 im IQ Foiling dein großes Ziel gewesen ist.
Noch im letzten Jahr konzentrierte ich mich mit 90% meiner Zeit auf das IQ Foiling, denn Olympia 2024 war das große Ziel. Ich erhielt vom belgischen Segelverband für die Olympiavorbereitung eine sehr gute Unterstützung in Form einer finanziellen Unterstützung und Coaching. Dann teilte mir der Verband mit, dass sie die Unterstützung einstellen werden, weil sie aufgrund der letzten Regattaresultate und meines Alters nicht mehr an mich glauben würden.

Steven van Broeckhoven - World Cup Sylt

Und dann?
Und dann? Der letzte Winter war für mich nur dunkel, schlecht, einfach nur zum Vergessen. Ich fiel in ein riesiges schwarzes Loch, denn es war ein Schock und mit dieser Situation kam ich erstmal nicht klar und ich wusste nicht wie es für mich weitergehen würde. Ich hatte mich die letzten Jahre so sehr auf das IQ Foiling konzentriert und dann war da plötzlich –fast– nichts mehr, denn Freestyle fand bei mir wie gesagt nur noch nebenbei statt.

Steven van Broeckhoven - Windsurf Freestyle Move

Also genau die Disziplin, in der du in 2011 Weltmeister geworden bist.
Was also elf Jahre her ist und mein Alter ist für die Disziplin Freestyle sehr weit fortgeschritten: Ich bin mittlerweile 37 Jahre alt! Aber ich mache das mit genauso viel Spaß wie vor 10, 15 Jahren, was der Schlüssel ist, warum ich das immer noch mache. Aber die Herausforderungen dieses so machen zu können, werden größer. Ich kämpfe mit kleiner werdenden Budgets meiner Sponsoren. Ich werde älter, wir haben einen Sohn, der fünf Jahre alt ist und wir haben ein Haus.

Das war zu jenem Zeitpunkt im Winter ein riesiger Stressfaktor für mich. Ich erkannte, dass der Spaß im Vordergrund steht und deshalb weitermachen möchte. Oder anders gesagt, ich wechselte den Modus auf „Spaß haben“, aber dann nicht im IQ Foiling, sondern im Freestyle, womit ich mich nun sehr wohl und glücklich fühle. Aber um das zu finanzieren, suchte ich mir einen Job bei einer Firma, bei der ich zeitlich sehr flexibel halbtags arbeite und nebenher repariere ich Boards, was mittlerweile recht gut funktioniert.

Steven van Broeckhoven - Sylt 2022

Du hast deinen „Modus auf Spaß haben” umgestellt. Das beschreibt auch ein Stück weit die Änderung deiner Lebenseinstellung?
Ja, auf dem Wasser viel Spaß zu haben und vielleicht nicht mehr der Weltbeste im Freestyle zu sein, das beschreibt es, zu welchem Entschluss ich im Winter gekommen bin. Und ich sage dir, dass es der beste Entschluss gewesen ist, den ich habe treffen können. Ich war im Frühjahr zwei Wochen in Dahab, Ägypten, um an einem Fotoshooting teilzunehmen. Wir hatten dort einige Tage mit gut 30kn Wind und ich hatte so unendlich viel Freude diesen unglaublichen Sport ausüben zu können! Mir wurde zudem so sehr bewusst, was mir all die Jahre im Profi-Windsurfen gegeben haben, was für ein Privileg das für mich alles gewesen ist.

Steven van Broeckhoven - Sylt 2022

Hast du vor diesem Hintergrund diese hervorragenden Ergebnisse in diesem Jahr erwartet?
Nein, ich habe nicht gewagt davon zu träumen, geschweige einfach so erwartet. Ich habe eine ganze Menge gearbeitet und das erste Ergebnis auf der EFPT Tour war Ende April ein 5.Platz am Neusiedler See, dann ein 3.Platz beim EFPT Event in Italien. Bereits schon diese tollen Ergebnisse haben mich umgehauen! Und nun bin ich hier beim World Cup auf Sylt wieder auf das Podium gefahren, bin Dritter geworden, ein Wahnsinn ist das! Dazu bin ich in diesem Jahr gegen den Weltmeister Adrien Bosson dreimal angetreten und habe ihn zweimal schlagen können, da sieht man auch, was alles möglich ist.

Steven van Broeckhoven - PWA Windsurf World Cup Fuerteventura 2019
Yentel Caers und Steven
PWA Windsurf World Cup Fuerteventura 2019

„Eine ganze Menge gearbeitet“. Wie gestaltet sich das Windsurfen für dich über das Sommerhalbjahr hinweg, wie häufig kommst Du aufs Wasser?
Erstmal sind es die EFPT Events und der World Cup Sylt, auf denen ich aufs Wasser komme, und zum Event am Silvaplana See in der Schweiz bin ich für das Show-Freestylen eingeladen worden. Für das Fotoshooting von meinem Segelsponsor GunSails sind wir im September in Frankreich unterwegs gewesen. Und dann sind da noch über den Sommer hinweg die Wochenenden, an denen wir mit der Familie an die Nordsee fahren, aber in den letzten zwei Monaten habe ich nur kaum Windglück gehabt, konnte nur insgesamt zweimal auf dem Freestyleboard stehen. Ansonsten gehe ich gern Pumpfoilen und mal zum Spaß auf dem IQ-Foilboard raus, weil ich das Material noch habe. Aber wie gesagt, das IQ-Foiling ist für mich zu Ende und das ist gut so.

Steven van Broeckhoven - PWA Windsurf World Cup Fuerteventura 2019

Spürst du mit deinen 37 Jahren im Vergleich zu vor 10 Jahren einen Unterschied, wenn du schnelle, kraftvolle Powermoves raus haust? Was macht deine Körperflexibilität, Power und die Regenerationszeiten?
Gute Frage, ich spüre da gar keinen Unterschied oder gar Altersgrenze. Der große Unterschied ist, dass ich nicht mehr so ​​viel Zeit auf dem Wasser verbringen kann wie früher, da ich auch eine Familie habe, um die ich mich kümmern muss und eben auch die Herausforderung, davon zu leben. An meinem Körper spüre ich nicht wirklich Unterschiede, solange ich mich um ihn kümmere.

Spürst du mittlerweile eine Veränderung in der Fähigkeit, neue Bewegungen zu lernen?
Hmm, vielleicht denkt man auch mit zunehmendem Alter mehr nach, bevor man versucht, Tricks zu lernen, die auch –wenn man sie crasht– wehtun können. Das war in der Vergangenheit anders!

Möchtest du noch andere, neue Moves trainieren? Lernst du noch hinzu?
Ja, verschiedene Trickkombinationen sind das.

Steven van Broeckhoven - PWA Windsurf World Cup Fuerteventura 2019

Wie lange möchtest du deine professionelle Windsurf-Karriere fortsetzen?
Die Frage ist, was „professionell“ bedeutet. Ich kann von diesem Jahr sagen, dass ich mich selbst nicht mehr als Profi-Windsurfer bezeichnen kann, da ich für mein verdientes Geld zu guten Anteilen außerhalb der Windsurfindustrie gearbeitet habe, da ich nicht nur von Sponsorengeldern überleben kann. Sagen wir also, ich bin Semi-Profi. Ich liebe Windsurfen und Wettkämpfe, also warum sollte ich an einem Punkt aufhören, solange Marken mich genug unterstützen, um weiterzumachen? So lange mache ich weiter. Antoine Albeau ist 50 Jahre alt und macht es aus Spaß, ein Kelly Slater mit genauso 50 Jahren, macht immer noch auf der WSL World Tour der Wellenreiter aus Spaß mit und nicht weil er muss. Er hat in diesem Jahr den Pipeline Master gewonnen.

Freestyle ist eine Spaßdisziplin! Der alleinige Faktor ist der Spaß, den ich bei der Sache habe. Wir Freestyler sind eine große Familie und haben eine großartige Stimmung. Hier auf Sylt haben wir eine Menge davon!

Ich möchte jedem jungen oder noch so altem Windsurfer sagen, dass das Level auf dem Wasser keine Rolle spielt, mit jeder Könnensstufe macht das Windsurfen viel Spaß!

17.11.2022 © DAILY DOSE  |  Text: Axel Reese  |  Fotos/Grafiken: Axel Reese, PWA / John Carter