Kitewings - eingesetzt auf Surfboards und Inline Skates

Kitewings

Im Interview mit Patrik Pollak blicken wir zurück auf die Entwicklungen im Wingsport

Windsurfen mit einem Segel und Kitesurfen mit einem Schirm haben sich im Wassersport fest etabliert. Aber auch andere Entwicklungen tauchten im Verlauf der letzten Jahrzehnte auf. In den 80ern zog das Wind Weapon die Aufmerksamkeit auf sich - ein Flügel, der über einen Mast mit einem Windsurfboard verbunden war.

Nach der Jahrtausendwende wurde der Kitewing kurzzeitig populär - ein hanggehaltener Flügel, der am ehesten einem symmetrischen Windsurfrigg glich. Diese Mini-Flugdrachen kamen nicht primär auf Surfboards zum Einsatz, sondern ließen vor allem Skifahrer schweben.

Patrik Pollak ist einer der Pioniere dieses Sports und hat zwischen 2006 und 2009 mehrere Actionsport Clips zu der damals neuen Sportart gedreht. Wir haben den Windsurfer aus der Slovakei zum Kitewing interviewt.

Kitewings ähneln kleinen Flugdrachen

Du warst zu diesem Zeitpunkt schon langjähriger Windsurfer. Wann und wie bist du auf Kitewings aufmerksam geworden?

In den ganzen Jahren meiner Windsurflaufbahn gab es früher immer die unvermeidbaren Winterpausen. Reisen in warme Klimazonen war zu kostspielig und zu Hause aufs Wasser zu gehen war einfach zu kalt. Es gab immer lange Perioden mit Eis und Schnee. Als meine Schwester dann nach Finnland zog, habe ich zum ersten Mal Kitewings im Schnee gesehen. Ich wusste sofort, dass dieses Sportgerät genau das war, was mir im Winter fehlte.


Zu diesem Zeitpunkt warst du neben dem Windsurfen auch Skifahrer. Hat dich der Kitewing primär für den Einsatz im Schnee oder auf dem Wasser interessiert?

Für mich war es in erster Linie ein Ding für den Winter, aber ich habe direkt gemerkt, dass der Kitewing auch abseits vom Wintersport Potential für den Einsatz an Land und auf dem Wasser hat.

Mit Kitewing und Ski auf Schnee

Wo hattest du so ein Gerät zum ersten Mal selbst in den Händen? Ging es direkt aufs Wasser oder hast du es an Land ausprobiert, z.B. mit einem Skateboard? Gab es weitere Experimente?

Meine ersten Versuche fanden auf Skiern und Schlittschuhen statt. Nach der Wintersaison hatte ich es dann an Land auf einem Mountainboard und auf Rollerskates ausprobiert. Schließlich dann auch auf dem Wasser. Wir haben Inserts aus Schaum am Flügel und dem Gestänge genutzt, damit wir den Kitewing nicht im Wasser versenken. Ausprobiert wurde das ganze auf flachen Gewässern mit starkem Wind.

Weil der handgehaltene Kitewing keine Verbindung zum Sportgerät benötigt, kann man damit eigentlich auf allem fahren, was rutsch oder rollt und nicht von Hand gesteuert werden muss. Beim Windfestival in Leucate sind wir damit sogar auf Wasserskiern gefahren (Video auf Facebook).



Wie verhält sich so ein starrer Flügel?

Der Kitewing ist sehr druckpunktstabil, da die Latten aus vorgespanntem Aluminium das Profil stabilisieren und auch in Form halten, wenn man den Wing in starken Böen depowert. Eine Größe des Kitewings kann so in einem großen Windbereich eingesetzt werden. In meinem Wintertraining habe ich zu 90% den 5.5er genutzt und nie kleiner als den 4.8er, auch bei 25-30 Knoten Windspeed.

Patrik Pollak beim Mountainboarden mit Kitewing am Strand

Wie man in den alten Videos aus 2006 und 2007 sieht (Links zu den Videos am Ende des Interviews), war Skifahren der ultimative Einsatzbereich. Die alten Aufnahmen mit der Kombination aus Gleiten und Fliegen sind beeindruckend. Vor allem, weil das auf dem Wasser zu dieser Zeit noch nicht möglich war. Welche Ideen entstanden in dieser Zeit? Eine alte Website von dir macht den Eindruck, dass eine Contest Serie entstehen sollte?

Der Fokus im Winter lag eigentlich immer beim Skifahren mit dem Kitewing, aber viele Leute in Finnland habe den Wing auch mit Schlittschuhen auf Eis eingesetzt. Gerade zu Beginn des Winters gibt es wegen den kalten Temperaturen dort bereits gefrorene Gewässer, aber noch nicht ausreichend Schnee.

Beim Skifahren lag unser Fokus auf dem Erreichen möglichst hoher Geschwindigkeiten und dem Fliegen über die Hänge. Es gab damals Contests im Freestyle (Rides & Jumps) und Slalomrennen.

Einer der großen Events mit Teilnehmern aus vielen Ländern und Support von Redbull war in 2005 der King of the Wing in der Slowakei. Wing Racing ist auch heute noch ein Bestandteil der WISSA (World Ice and Snow Sailing Association).

Ich glaube es war in 2006, als auch Felix Baumgartner mit uns in Lappland war und das Fahren mit dem Wing lernte. Er hatte den verrückten Plan damit von einen Helikopter abzuspringen und mit Skiern an den Füßen auf einer Piste zu landen. Aber dieser Stunt war letztendlich wohl doch etwas zu gefährlich.

Kitewing-Action im Schnee

Wurden diese Ideen nicht fortgeführt? Wie entwickelte sich das Kitewingen auf Schnee in dieser Zeit?

Die Schneesicherheit im Winter nahm mehr und mehr ab und es wurde schwieriger die richtigen Bedingungen zu finden. Auch ohne den Support von Partner waren Events, wie sie Anfangs in Lappland stattfanden, nicht mehr möglich. Wir hatten noch eine Idee zum 100. Jubiläum von Amundsens Reise an den Südpol ein ähnliches Projekt zu realisieren, aber auch dafür gab es nicht genug Unterstützer.

Das Flugpotential der Kitewings ist gewaltig

Du bist in der Zeit danach als Regatta- und Speedsurfer unterwegs gewesen. War die Entwicklung des Windsurfens mit leichtem und leistungsfähigem Material spannender als das Kitewingen?

Ich habe immer beides gemacht, solange mein Budget und meine Zeit es erlaubten. Ich hatte mich im Windsurfen zwischen 1996 und 2012 auf eine Qualifikation für die Olympiade konzentriert und es in 3 von 5 Anläufe geschafft. Das war zeitintensiv und hat in dieser Zeit mein gesamtes für Sport verfügbare Budget verbraucht.

Surfen mit Kitewing

Vor drei Jahren begann dann der Durchbruch des Wingfoilens mit aufblasbaren Wings. Foilboards machten den Einsatz auf dem Wasser schon bei wenig Wind möglich. Hast du auch sofort damit begonnen?

Ich habe von Anfang an das Potential gesehen. Es gab eine Phase, in der die Firma Kitewing einen Flügel mit 7,5 m2 für den Einsatz auf dem Wasser entwickelte. Mit einem dieser Flügel bin ich in Neukaledonien gesurft.

Kitewingen an Land - fette Jumps auf Inline Skates

Hast du beim Wingfoilen schon einen Kitewing eingesetzt?

Bisher noch nicht, aber ich plane meine Skills da zu verbessern, um dann mit Wingfoilboard, Slalom-Foil und Kitewing aufs Gaspedal zu drücken.


Wie ist der Handling-Unterschied? Moderne Wings sind mit 2-3 Kilo ziemlich leicht, können in Windlöchern mit einer Hand hochgehalten werden und schwimmen. Sicher ein großer Unterschied?

Wenn du einmal unterwegs bist merkst du das Gewicht des Kitewings nicht mehr. Auf dem Eis reichen beispielsweise schon 4 Knoten aus. Der große Vorteil ist wie schon erwähnt die stabile Aluminiumstruktur und die damit einhergehende große Windrange. Die Profiltiefe kann am Boom und den Flügeln getrimmt werden und softe Wing Tips ermöglichen den Twist wie bei einem Slalomsegel.

Night-Rider

Die aerodynamischen Flugeigenschaften von Kitewings erreichen aufblasbare Wings noch nicht. Haben starre Wings eine Chance auf dem Wasser, wenn diese sehr leicht gebaut werden? Gibt es bereits Experimente mit ultraleichten Carbonbauweisen?

Rohre aus Carbon sind verfügbar, die nutze ich schon seit vielen Jahren. Ich denke schon dass Fahrer, die nicht mehr oft ins Wasser fallen, Rigid Wings einsetzen könnten, um mehr Druckpunktstabiliät und Speed zu erreichen. Aber abseits vom Renneinsatz sind aufblasbare Wings auf dem Wasser einfach die bessere Wahl in Bezug auf Nutzerfreundlichkeit.

Tiefschnee-Rides mit Kitewing

Glaubst du, dass man mit luftgefüllten Wings bald auch im Schnee so fliegen kann wie mit Kitewings?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass da nur der Mut der Rider das Limit setzt. Wir haben nie Backloops oder 360er ausprobiert, da die Landung immer auf hartem Untergrund erfolgte. Wenn diese Moves auf dem Wasser trainiert werden und dort sicher sitzen, dann wird man diese Tricks auch bald auf Schnee oder Eis sehen.

Ein Jump, den in der Vergangenheit einige Fahrer gesprungen haben, war eine Art in der Luft geflogene Wende. Das habe ich auf dem Wasser bisher noch nicht gesehen, eventuell muss sich bei den Trapezen noch etwas weiterentwickeln, bevor das auch auf dem Wasser funktioniert. Bei den Sprüngen hingen wir meist im Trapez und konnten so leichter mit den Händen steuern.

Airtime

Wagen wir mal einen Ausblick in die Zukunft - wohin wird sich das Wingen entwickeln?

Wenn wir in die Zukunft schauen wollen, dann müssen wir auf die Vergangenheit zurückblicken. Wir hatten früher gehofft, dass ein Kitewing mal in einem James Bond film auftaucht. Das ist nie passiert, aber wir haben weitergeträumt und uns voll auf den Sport eingelassen. Vielleicht waren wir auch einfach zu früh dran und konnten nicht genug Popularität und Support der Industrie generieren.

Genau diese Punkte spielen aktuell beim Wingen auch eine Rolle. Aufblasbare Wings sind für alle Interessierten viel einfacher zu handhaben und wenn die Industrie sich auf diese Zielgruppe konzentriert und nicht in der Spezialisierung für Race und Freestyle High End Gear verrennt, dann kann der Sport groß werden.

Der Foil hilft dem Wingen, um im Sommer durchzustarten. Dort, wo noch immer ein richtiger Winter herrscht, ist ein Wing eine gute Investition für Spaß auf Eis und Schnee. Ich hoffe, dass wir bald auch ein paar Foil-Wasserski sehen - das fände ich total interessant zum ausprobieren.

Gleitflüge mit Kitewing

Eine Sache, die mir beim Kitewingen schon immer gefallen hat, war das Gefühl von Freiheit. Genau wie auf dem Wasser zeigen dir zwar die Physik und Mutter Natur die Grenzen auf, aber du kannst dich von A nach B bewegen ohne einer geraden Linie zu folgen. Dazu kommt noch die dritte Dimension der Bewegungsrichtung. Mit dem Kitewing über die verschneiten Hügel in Lappland zu gleiten und zu Fliegen war einfach genial. Da kommt glatt der Gedanke auf die alte Crew zusammenzutrommeln und noch einmal die Reise dorthin anzutreten. Air to breathe, wind to live!


Hier folgen ein paar Links zu Videos aus dieser Zeit:

21.02.2023 © DAILY DOSE  |  Text: Jürgen Schall, Patrik Pollak  |  Fotos/Grafiken: Patrik Pollak