Wellenreiten - Windsurfen auf der Welle

Wellen abreiten

Tipps für Einsteiger

Wellenreiten wird im Windsurfen oft als die Königsdisziplin bezeichnet, aber der spielerisch wirkende Tanz auf den Wellen ist nicht ganz so einfach wie er scheint. Newcomer stellen das spätestens bei den ersten Versuchen fest, wenn es darum geht Wellen zu queren.

Zu Beginn kommt es nicht auf die Größe an: Erfahrung, die notwendige Technik, das Auge und Gefühl für die Welle sowie die wichtigsten Sicherheitsaspekte lernt man auch sehr gut in kleineren Wellen - so kann man sich langsam an größere, schnellere und stärkere Wellen herantasten.

Wellen-Spots
Durch lokale Stürme entstandene Wellen sind relativ langsam und meist auch nicht so groß wie „Groundswells“, welche durch extreme Stürme in Bewegung gesetzt werden und über tausende Kilometer Anlauf nehmen können, bevor sie auf die ersten Küsten treffen.

Trifft ein Swell auf flach auslaufende Küstengebiete mit sandigem Untergrund, bauen sich die Wellen langsam zur Brandung auf, bleiben relativ rund und entwickeln nicht allzu viel Kraft.

Fällt ein Küstenabschnitt steiler ab und befindet sich ein Riff bzw. Felsen unter der Wasseroberfläche, wird der Swell abrupt abgebremst, stellt sich dabei steiler und höher auf, was zu deutlich kräftigerer Brandung führt.

Zum Einstieg in die Welle empfiehlt sich daher der Beachbreak mit seinem sandigem Untergrund. Das queren der Wellen ist einfacher und Fehler werden nicht so schnell mit deftigen Waschgängen oder Materialbruch bestraft.

Informieren
Entlang der für die Brandung verantwortlichen Sandbänke, Riffe und Felsen entstehen teils heftige Strömungen, welche sich je nach Gezeiten sehr unterschiedlich verhalten können. An einem unbekannten Spot sollte man sich daher zu allererst über die Gezeiten, Strömungen, Untiefen und etwaige weitere Gefahren informieren. Dazu ist es sicherlich kein Nachteil sich den Spot erst einmal bei Ebbe in aller Ruhe anzusehen.

Der Ein- und Ausstieg
Ein sicherer Beach- und vor allem Wasserstart sind fahrtechnische Grundvoraussetzung für das Surfen in der Brandung (dieser sollte nicht nur im Schlaf, sondern auch auf nicht idealen Kursen sicher funktionieren). Bevor das Board zu Wasser gelassen wird, sollte man sich etwas Zeit nehmen und die Wellen beobachten.

Wie häufig und in welchen Abständen kommen Sets (zeitliche Abschnitte) mit größeren Wellen angerollt? Gibt es einen Shorebreak (direkt auf den Strand brechende Wellen)? Wo bauen sich die Wellen am höchsten auf? Gibt es Stellen an welchen die Wellen so gut wie nie brechen? Hier sollte man möglichst den Einstieg ins Wasser wählen. Es hilft auch den Weg der anderen Surfer ins Wasser und durch die Wellen zu beobachten.

Während im Flachwasser unbegrenzt Zeit vorhanden ist, um das Material zum Beachstart oder Wasserstart auszurichten, muss in der Welle alles etwas schneller geschehen. Sobald eine Welle unter einem durchgelaufen ist, legt man das Board aufs Wasser, richtet es kurz aus und los geht‘s. Zeit um noch eben das Material zu reinigen oder die Trapeztampen zu verstellen bleibt meist nicht. Bereits die nächste Welle könnte das Material samt Surfer zurück an den Strand befördern. Also nichts wie weg.

Am Ende einer netten Session zwischen den Wasserbergen steht der sichere Ausstieg auf dem Plan. Dazu macht man sich den Wellenrücken zu nutze, da das Wasser vor der Welle von dieser quasi aufgesogen wird und man schnell auf dem trockenen stehen kann - das ist mit der Welle im Rücken kein guter Plan. Daher bleibt man hinter der Welle und passt seine Geschwindigkeit an, um diese nicht zu überholen. Auf dem Wellenrücken hat man ausreichend Wasser unter der Finne, um bis fast an den Strand zu gelangen. Auch beim Ausstieg sollte man sich zügig bewegen. Wer sich zu lange Zeit lässt könnte es mit der nachfolgenden Welle zu tun bekommen.

Einstieg, Ausstieg und Wellen queren

Überqueren der Welle
Beim Spotcheck vom Strand aus kann man sich oft schon den einfachsten Weg durch die Brandungszone einprägen. Einige Wavespots sind jedoch so chaotisch, dass das Ausschau halten aufs Wasser verlagert werden muss. Es heißt die Wasseroberfläche zu „lesen“, um in leichtem Zick-Zack-Kurs immer den rundesten und niedrigsten Teil einer Welle, die Wellenschulter, zum Queren nutzen zu können.

Beim Queren der Welle sollte das Rigg vorgeschoben und die Belastung über den vorderen Fuß und den Körper in Richtung Mastfuß gebracht werden, sobald man den Scheitelpunkt der Welle passiert hat und hinter der Welle ins nächste Tal fährt, wandern Rigg- und Körperschwerpunkt wieder zurück. Die Beschleunigung durch die Talfahrt sollte möglichst gut ausgenutzt werden.

Bei auflandigem Wind empfiehlt es sich vor dem Queren einer Welle abzufallen, um Geschwindigkeit aufzunehmen und dann im 45-Grad-Winkel über den Wellenberg zu surfen. Um gut und ohne Speedverlust über flache Weißwasserwalzen zu gelangen kann man die Luvkante anheben und die Welle mit den Beinen ausfedern.

Beim Queren hoher Wellen ohne Gleitfahrt und ohne ausreichend Druck im Segel kann man folgenden Trick anwenden: Kurz vorher kräftig pumpen und mit Belastung auf dem hinteren Fuß das Board steil anstellen, so dass die brechende Lippe das Board von unten trifft. Diesen Druck nutzt man aus, um das Gewicht wieder über das Board zu bringen.

Vorfahrts- und Verhaltensregeln in Wellenrevieren
Es ist sicherlich von Vorteil die Ausweichregeln auf Flachwasser zu kennen, doch an Wavespots sollte man nicht darauf pochen. Es gelten andere Regeln:

Wer die Wellen quert - also rausfährt - hat immer Vorfahrt. Ein Windsurfer auf der Welle muss ausweichen. Der Rausfahrende hat häufig nur eine kleine Lücke in der Welle, um diese sicher zu überwinden. Derjenige auf der Welle kann immer durch Wellenschub beschleunigen und somit ausweichen.

Wenn es um das Abreiten geht, hat derjenige Vorrang, der sich als erster auf der Welle befindet. Sind mehrere Surfer gleichzeitig auf einer Welle, hat derjenige Vorrang, der sich näher am brechenden Teil der Welle befindet. Keinesfalls sollte man versuchen eine Welle zu erwischen, auf der sich bereits ein anderer Surfer befindet.

Keine feste Regel, aber aus sicherheitstechnischen Gründen immer zu beachten: Nicht von hinten in eine steile (frei) Welle fahren. Man hat keine Sicht auf das, was sich vor der Welle abspielt. Wellenreiter oder wasserstartende Windsurfer werden sehr schnell übersehen und es kann zu gefährlichen Situationen kommen. Zudem hat man keine Übersicht über die Form der Welle, im schlimmsten Fall schießt man genau in den brechenden Teil der Welle und gleich Kopfüber in den Vollwaschgang.

Wellen suchen und finden
So leicht es bei erfahrenen Wellenschlitzern auch aussehen mag, wenn sie sich immer die beste Welle auszusuchen und bis zum Strand abfahren, so schwierig wird es einem Anfangs vorkommen überhaupt eine einzige Welle zu erwischen auf der man auch nur einen einzigen Turn fahren kann. Fährt man in Slalom-Manier immer Vollgas hin und her und hofft darauf, dass einem irgendwann schon mal eine Welle vor den Bug laufen wird, könnte es am Ende des Tages eine relativ frustrierende Session sein.

Zu allererst heißt es „Augen auf“ und die Wasseroberfläche lesen lernen, darauf zu achten wo sich das Wasser in die Höhe hebt, wie sich die Welle formt, wo sie am höchsten ist und ob es sich nur um eine kleine Woge handelt oder um eine längere Welle. Gehört zu den persönlichen Windsurf-Fähigkeiten eine sichere Powerhalse und/oder die schnelle Wende, halst oder wendet man direkt vor die Welle und passt dann seine Geschwindigkeit der Welle an.

Gleitet man Richtung Strand, also in Wellenrichtung, ist die Geschwindigkeit fast immer zu hoch. Die Geschwindigkeit sollte gedrosselt werden und es hilft in Luv und Lee die Wasseroberfläche zu beobachten. Baut sich hinter einem eine (freie) Welle auf, drosselt man die Geschwindigkeit so lange, bis einen die Welle eingeholt hat. Dann sollte man die Geschwindigkeit der Welle anpassen und versuchen sich auf dem oberen Drittel der Welle zu halten.

Backside Cutback

Erste kleine Wellenritte
Vom Fuß der Welle aus würde das Abreiten nur sehr schwer möglich sein, da der Wellenschub als Unterstützung fehlt. Befindet man sich jedoch im obersten Drittel der Welle, beginnt der erste kleine Wellenritt mit Schwung, da er mit einer „Bergab“-Fahrt startet.

Es wird anfangs sicherlich vorkommen, dass man sich bereits beim Herabfahren der Welle auch schon wieder von ihr entfernt, da die Abfahrt zu vertikal und die Einleitung der Kurve zurück zur Welle zu spät gestartet wurde.

Um die ersten Wellen tatsächlich etwas länger abfahren zu können, sollte man sich zunächst von dem Gedanken trennen, vertikale und enge Turns vom Fuß der Welle bis zur Wellenlippe zu fahren.

Um ein Gefühl für die Welle und den Wellenschub zu entwickeln, kann man sich eine Welle vom tiefsten bis zum höchsten Punkt dritteln und versucht nun langgezogene und horizontale Turns ins mittlere Drittel der Welle zu carven. Erst wenn sich das Gefühl weiterentwickelt hat, sollte man beginnen etwas härter und dynamischer zu carven. Von der Wellenlippe sollte man sich aber noch fern halten, da man sonst schnell über das Ziel bzw. die Lippe hinausschießt und hinter der Welle landet.

Das Abreiten der Welle geschieht grundsätzlich in beiden Fußschlaufen stehend. Als Vorübung kann man in voller Gleitfahrt und auch auf Flachwasser das Carven verbessern. Zum Abfallen (als Übung zum Bottom Turn = Bogen vom Fuß der Welle zurück zur Wellenlippe) die Segelhand weiter Richtung Schothorn rutschen lassen, energisch tief gehen und dabei das Segel dicht holen. Bei der Cutback-Übung (Bogen von der Wellenlippe zum Fuß der Welle) rutscht die Segelhand weiter vor, um das Segel besser öffnen zu können, während das Board über Fersenbelastung zum anluven gebracht wird.

Je weniger Geschwindigkeit man bei diesen Übungen verliert, umso besser. Die Vorübungen werden ausgehakt aus dem Trapez und aneinandergereiht durchführen. Auch das Abreiten der Welle geschieht ohne Nutzung des Trapezes.

Wenn die ersten kleinen Wellenritte geschafft sind und Vorübungen langweilig werden, dann wird es Zeit das Wellenabreiten etwas zu intensivieren, vertikalere Turns zu fahren und sich langsam ans Face der Welle (= den brechenden Teil) heranzutasten. Dort entwickelt die Welle die meiste Kraft und bei großen, kräftigen Brechern wird diese Sektion nicht umsonst als kritisch bezeichnet. Um das Waveriding zu verbessern, kommt nun auch immer häufiger der Kopf ins Spiel. Beim Bottom Turn geht der Blick Richtung Welle, um den brechenden Teil zu beobachten und beim Cutback geht der Blick über die vordere Schulter die Welle hinab, was zu einer extremeren Körperdrehung führt, welche das Board enger drehen lässt und der erste Spray an der Wellenlippe verteilt werden kann.

Frontside oder Backside?
Schaut man im Bottom Turn mit dem Gesicht zur Welle, wird dies als Frontside bezeichnet. Dies ist immer der Fall, wenn man in Sideon- bis Sideoffshore-Bedingungen vom Wind weg fährt. Geschieht das Carven mit dem Rücken zur Welle, spricht man von Backside, man fährt zum Wind hin. Bei auflandigen Bedingungen surft man Wellen meistens ausschließlich Backside (mit Wind und Welle im Rücken) ab. Frontside Wellenritte sind mit weit geöffnetem Schothorn dort zwar ebenfalls möglich, aber nur etwas für Experten, da beim Wechsel zwischen Windabdeckung im Wellental und voller „Breitseite“ beim Cutback Board-, Rigg- und Körperstellung 100%ig passen müssen.

Frontside Cutback

Was tun bei und nach Stürzen?
Die erste wichtige Verhaltensregel bei einem Sturz in der Welle: Ruhe bewahren. Wer hektisch oder gar panisch reagiert, vergeudet viel Energie und Luft. Selbst wenn man das komplette Vollwaschprogramm durchmachen muss, hilft nur Ruhe - heftige Schwimmbewegungen dagegen wenig. Die Arme lieber benutzen, um den Kopf vor Boden- oder Materialkontakt zu schützen. An die Wasseroberfläche kommt man fast automatisch wieder - und das meist wesentlich schneller als es sich häufig anfühlt. Erst nachdem man wieder einigermassen die Orientierung zurückerlangt hat, sollte mit dem Schwimmen begonnen werden.

Ist das Material nicht mehr in Reichweite: schneller schwimmen, denn jede Welle wird das Material weiter entfernen.

Auch wenn sich das Material nach dem Auftauchen noch in den Händen oder in unmittelbarer Reichweite befindet, bleibt einem nicht viel Zeit bis zur nächsten Welle. Diese baut sich bereits auf und könnte einen weiteren Waschgang einleiten. Bleibt keine Zeit, um das Material zum Wasserstart auszurichten, gilt es folgende wichtige Sicherheitsregel zu beachten: Niemals das Material zwischen Körper und Welle bringen! Die richtige Reihenfolge wäre „Welle, Körper, Material“ um so zu verhindern, dass einem das Material auf den Körper gedrückt wird. Um das Material bei einem weiteren Waschgang nicht wieder zu verlieren kann man das Segeltop in Richtung der Welle ausrichten, um es dann - mit dem Körper auf dem Segel liegend - unters Wasser zu drücken, wobei man den Mast ziemlich nah am Top energisch festhält.

Eine Welle lesen

Materialtrimm
Waveboards sind in der Regel mit dem US-Box-Finnensystem ausgestattet (oder ähnlichen Systemen, in denen die Finnen innerhalb der Box frei positioniert werden können). Schon steht man vor der Frage: Wohin mit der Finne (gilt übrigens gleichermassen für Twinser, Thruster oder Quads - also Boards mit zwei, drei oder vier Finnen). Für mehr Boardkontrolle bei großen Wellen erhöht man den Abstand zwischen der Finne und der hinteren Fußschlaufe. Die Finne wird in eine weiter hinten liegende Position geschraubt. Diese Position hilft auch beim Angleiten, was in sehr auflandigen Revieren hilfreich sein kann. Allerdings dreht das Board mit diesem Setup deutlich schlechter oder besser gesagt, in wesentlich größeren Radien. Daher empfiehlt es sich an auflandigen Revieren Boards mit mehr Volumen und einer weiter vorn positionierten Finne zu benutzen, da dort engere Radien zum Abreiten der Wellen notwendig sind.

Zum Schlagen enger Haken auf kleineren Wellen sollte die vordere Finnenposition gewählt werden. Die Finne befindet sich dann fast unter der hinteren Fußschlaufe.

Um sich beim Queren der Wellen nicht ständig aus den Trapeztampen aushängen und wieder einhängen zu müssen, sind längere Tampen von Vorteil. Bei erfahrenen Waveridern sind Längen zwischen 30 und 36 Inch Standard. Diese hängt jedoch auch von der Körpergröße und persönlichen Trimmeinstellungen ab.

07.12.2011 © DAILY DOSE  |  Text: Tom Brendt  |  Fotos/Grafiken: Tom Brendt