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Kapverden - Sal 2008
Nach einer kurzen Nacht, die mal wieder in Packstress ausgeartet ist, sitzen wir schweißgebadet aber glücklich im IC von Rostock nach Düsseldorf. Dank eines von der Außenwelt abgeschotteten TUI-Resorts auf der kapverdischen Insel Sal, fliegt die dazugehörige Fluggesellschaft ihre all inclusive Jünger von drei Flughäfen in Deutschland einmal wöchentlich auf die windigste Insel des Archipels, 2000 km südlich der Kanaren.

Im Gegensatz zu den Mitreisenden erwartet uns aber nicht die steril standardisierte Atmosphäre eines all inclusive Urlaubs. Nadja, eine gute Freundin, die mehrere Monate im Jahr auf den Kapverden lebt, hatte uns ein Apartment in einer ganz normalen kapverdischen Wohngegend besorgt...

Nach einem reibungslosen Check-In durch das attraktive Bodenpersonal, nutzen wir die letzten Minuten auf heimischen Boden, um uns mit unnützem Dutyfree Kram einzudecken. Unwissend, dass wir uns in weniger als 7 Stunden in einer Zivilisation befinden werden, die vom konsumorientierten Mitteleuropa Welten entfernt ist.

Angekommen auf Sal, stolpern wir mit zwei Windsurfdoubleboardbags, zwei als Golftaschen getarnten Kite- und Zubehörtaschen sowie Reisetaschen aus dem Flughafengebäude auf die Fließhecktaxis zu. Das hoffnungslose Kopfschütteln der Fahrer dämpft unsere Euphorie, welche durch die warme Luft ausgelöst wurde. Doch dann kommt ein glücklicher Zufall namens Pedro.

Kapverden - Sal 2008
Mit lauter Gangstamusik rollt Pedro mit seinem Ford Ranger Pickup vor und bietet sich als Taxi an. Da seine wild artikulierenden Mitfahrer bereits alle Innenplätze besetzen, legen wir die 10 km Richtung Surfmekka Santa Maria auf unseren Bags knappe drei Meter über der Straße zurück.

Mit Nadja hatten wir uns im ‚Calema‘ verabredet. Zu unserem Erstaunen ist das Calema die ‚In‘-Bar von Sal und nicht etwa unser Apartmenthaus. Im guten caboverdian Style lässt Nadja ein wenig auf sich warten und so tauschen wir inmitten des chilligen dörflichen Treibens Winterschuhe gegen FlipFlops und den Tomatensaft gegen kühles Sagres – ‚move cool‘. Dann kommt Nadja und wir können endlich unser Apartment beziehen.

. Da der Passatwindgürtel in den Wintermonaten gen Süden wandert, sind die Kapverden dann einem stetigen Nord-Ost Passat ausgesetzt. Doch der eigentliche Impuls der uns hierher führte, sind die unglaublichen Worldcup-Bilder und Videos des letztjährigen Events am südwestlichen Zipfel von Sal – Punta Preta.

Die ersten fünf Tage nutzen wir zum warmfahren am Kitebeach im Südosten der Insel, der je nach Tidenstand Eurowave Bedingungen mit moderater Welle zum Springen bietet. Auch die Sundowner- Wellenreitsession in Punta Sina steht ganz weit oben auf der To-Do-Liste. Der Spot bildet eine Landzunge und ist der südwestlichste Strand. Die Welle bricht hier dicht am Beach, läuft aber weit im rechten Winkel zum Strand aus. Das spart Paddelpower, da man einfach wieder zum Peak laufen kann.

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Kapverden - Sal 2008
Da wir unser Domizil mitten im echten kapverdischen Leben haben, wird schnell klar, dass das Leben auf den Kapverden kein Zuckerschlecken ist. Einfach abschalten, die Umwelt ausblenden und Urlaub machen ist nicht drin, wenn man nicht mit kompletter Blindheit geschlagen ist.

Durch das extrem trockene Sahel Klima müssen über 90% der Lebensmittel importiert werden. Was für uns Einkaufen auf deutschen Tankstellen Niveau bedeutet, hat für die Kapverdianer eine ganz andere Dimension. Im Durchschnitt müssen die Menschen mit einem Monatseinkommen von etwa 370 Euro auskommen.

Diebstahl ist eines der Mittel mit denen versucht wird, die eigene Misere zu mildern. Prostitution ein anderes. Unser Apartment führt uns auch hier gnadenlos die Realität vor Augen. Mitzuerleben, dass unsere Nachbarin sich aus Not prostituieren muss, um ihr Leben zu finanzieren, war schockierend.

. Im Kontrast dazu stehen die (Wind)Surf Bedingungen: Es ist endlich soweit. Die Swellforcast steht auf 3,5 Meter aus Nordwest. Die heran nahenden Wellen verzaubern die Menschen im Dorf und sind Mittelpunkt der Konversationen. Da wir nicht wissen was uns erwartet, beginnt der nächste Morgen mit dem üblichen Gang zur Bäckerei.

Aber etwas ist anders. Durch die sonst so verschlafenen Gassen von Santa Maria flitzen junge Locals mit ihren bunten Surfbrettern Richtung... Ponta Preta.

Ponta Preta ist ein Point Break der eine Rechts-Welle erzeugt. Sie läuft in Richtung der Bucht von Santa Maria aus und hinterlässt dort einen Shorebreak, der sich gewaschen hat. Je größer der angesagte Swell ist, desto weiter bricht die Welle vom Ufer entfernt.

Kapverden - Sal 2008
Bevor der Pickup die „befestigte“ Straße verlässt, legt Pedro den Allrad ein, denn die restlichen Meter zum Spot geht es über eine feinsandige Offroadpiste. Plötzlich erhebt sich hinter den Dünen majestätisch eine türkis schimmernde Wasserwand, weiße Gischt über ihr weht aufs Meer hinaus.

Die Horde Frühaufsteher kommt uns mit einem breiten Grinsen entgegen. Die Kulisse ist einmalig. Die schnell, hohl und vor allem clean brechende Welle endet mit lautem Gebrüll auf dem Seeigel gespickten Lavagestein. Der Wind bläst Sideoffshore und ist auch über 20 Knoten recht böig. Wie hypnotisiert legen wir unsere Bags in den Sand, doch die Augen weichen nicht von den Wellen.

. Auch beim Aufriggen klebt die Aufmerksamkeit auf den brodelnden Wassermassen und im nächsten Augenblick stehen wir mit unserem Stuff fest im Griff in Warteposition vor dem Shorebreak. Die masthohen Sets zerbrechen angsteinflößend auf dem steil ansteigenden Strand. Was nun folgt, entschädigt für jegliches Boardbaggeschleppe und für die hohen Supermarktpreise.

Wir dürfen die wahrscheinlich schönste Welle der Welt mit einer Hand voll Glücklichen teilen, die ihr Material nicht schon im Shorebreak zerlegt haben. Mit unzähligen fetten Turns, sogar zu Zweit auf einer Welle, kommen wir in einen wahren Rausch.

Kapverden - Sal 2008
So gut die Kapverden surftechnisch sind, können wir dennoch die Frage ob wir wieder dorthin wollen, nicht eindeutig mit ja beantworten.

. Wirklich abschalten und Urlaub machen gelingt nur mit einer großen Portion Ignoranz vor den Problemen der Bevölkerung. Wer darüber nicht verfügt, wird wundervolle Surftage erleben, aber auch den harten kapverdischen Alltag.

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